Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
Wield.
Anfangs war er beeindruckt gewesen, wie das Etepetete-Frauenzimmer ihn durch das Gewirr nicht verzeichneter Nebenwege gelotst hatte, labyrinthisch genug, um einen Minotaurus-Jäger zu verwirren, letztendlich aber hatte sie ihn doch im Stich gelassen. Das Gebäude, neben dem er angehalten hatte, trug ein Schild mit der Aufschrift Lyke Farm, er jedoch wollte zur Lyke Farm Barn.
Zeit für menschliche Kontaktaufnahme.
Er stieg von der Thunderbird und pochte mit dem löwenköpfigen Klopfer gegen die Eichentür.
Er hatte seinen Ausweis bereits aufgeschlagen. Normalerweise vertraute er darauf, dass die Leute ihn nahmen, wie sie ihn vorfanden, aber in abgelegenen Gebieten erforderte die Kombination aus Ledermontur und seinen verbotenen Gesichtszügen sofortige Beschwichtigungsmaßnahmen.
Die Tür ging auf. Der Rahmen wurde von einem riesigen, rotgesichtigen Mann ausgefüllt, der aussah, als würde es ihn auch nicht kümmern, wenn der Leibhaftige höchstselbst auf der Matte stand.
»Detective Sergeant Wield«, sagte Wield, um sicherzugehen.
»Oh aye? Geht wohl um den Mord. Sie wollen zum jungen Fran, würde ich sagen.«
Wield war nicht überrascht. Die Geschwindigkeit, mit der sich Nachrichten durch den leeren Raum im ländlichen Yorkshire verbreiteten, würde Bill Gates mit Neid erfüllen. »Richtig, zu Mr. Roote«, sagte er. »Ich suche die Lyke Farm Barn.«
»Na, da haben Sie nicht aufgepasst. Einen halben Kilometer zurück auf der Straße nach Sandytown, da biegt der Weg ab, kurz vor der toten Eiche, und da steht auch ein verdammt großes Schild für alle, die lesen können.«
Wield fühlte sich keineswegs brüskiert. Er lebte mittlerweile lange genug in einem abgelegenen Yorkshire-Dorf, um zu wissen, dass der scheinbar ruppige Ton dem vertrauten höflichen Umgang in großstädtischen Gebieten entsprach.
»Danke, Mr. … äh?«
»Sedgwick. Wally Sedgwick. Sie haben ihn also noch nicht?«
»Wen?«
»Den, der Daph Brereton den Garaus gemacht hat, natürlich.«
»Nein, wir haben ihn noch nicht. Sehen Sie Mr. Roote oft?«
»Wenn er vorbeischaut, um die Miete zu zahlen. Meine Frau bekommt ihn öfter zu Gesicht, die putzt nämlich bei ihm.«
»Dann gehört die Scheune Ihnen.«
»Oh aye. Hab sie vor ein paar Jahren ausgebaut, als es die Regierung einem unmöglich gemacht hat, von ehrlicher Landwirtschaft zu leben. Diversifizieren soll man, haben sie gesagt. Feriengäste aufnehmen, Tee mit Sahne servieren. Scheiß drauf, hab ich gesagt. Ich lass mir doch nicht von irgendwelchen Fremden mein Klo verstopfen. Aber wir haben einen Zuschuss bekommen, um die Scheune in ein Feriencottage umzuwandeln.«
»Und jetzt wohnt Mr. Roote dort fest?«
»Hat für ein Jahr einen Mietvertrag, kann verlängert werden. Hab ja nicht geglaubt, dass es funktionieren würde, als ich gesehen hab, in welchem Zustand er ist, aber es gibt nur ein Erdgeschoss, und er hat ein wenig Geld lockergemacht für ein paar Umbauten. Meint, er will was Ruhiges zum Schreiben. Und meine Frau meint, wäre ja so viel einfacher, als wenn man im Sommer jede Woche einen Neuen hat und im Winter das Ding leersteht. Wahrscheinlich hat ihr der Bursche auch ein bisschen leidgetan, und er hat ein verflixtes Mundwerk, wenn er mit den Frauen redet, das muss man ihm lassen! Haben uns also auf einen Preis geeinigt, plus etwas mehr fürs Putzen, und manchmal kocht sie auch für ihn, und alle sind’s zufrieden.«
»Aye, klingt ja richtig kuschelig«, sagte Wield. »Sie kocht für ihn, sagen Sie? Dann hat er oft Gesellschaft?«
»Glaub nicht. Maisie macht Kasserollen und solche Sachen, nur für Mr. Roote selbst. Stellt es ihm in den Kühlschrank. Klar, er ist da so abgeschieden, wahrscheinlich könnte er jede Nacht wilde Partys schmeißen, aber die Einzigen, die ich jemals bei ihm gesehen hab, sind Tom Parker und dieser Denham-Typ auf seinem Motorrad.«
»Sir Edward, meinen Sie?«
»Aye. Fährt wie ein Verrückter. Diese Dinger gehören verboten, wenn Sie mich fragen.«
Roote dürfte also allein leben, ging Wield durch den Kopf, während er sich bedankte und wieder auf die Thunderbird stieg.
Einige Minuten darauf bremste er ab, als er vor dem Abendhimmel die skelettartige Silhouette eines großen abgestorbenen Baumes erkannte. Hier ging der Weg ab. Auch was das Schild betraf, hatte der Bauer Sedgwick recht gehabt, wenngleich nicht in jedem Punkt, dachte sich Wield, als er mit dem Stiefel wuchernde Brennnesseln zur Seite trat, hinter denen ein
Weitere Kostenlose Bücher