Der Tod ist kein Gourmet
backen könnte, schien ihr völlig absurd. Sie tat keines von beiden. Wenn sie warme Wollsachen tragen wollte, ging sie in einen Laden, und in ein Café, wenn sie ein leckeres Stück Kuchen essen wollte. Aus völlig anderen Gründen traf beides auch auf Mary Jane zu.
Die Drehtür begann sich zu bewegen. Sie spuckte nach einer Weile den Chefkoch Smudger Smith aus, der geschickt mit dem Fleischbeil umgehen konnte und auch ein feines Händchen mit der Bratpfanne hatte.
Ohne nach rechts oder links zu schauen, pflügte er sich mit geballten Fäusten, angespannten Schultern und grimmigem Gesicht durch den Eingangsbereich. Honey bemerkte seine schlechte Laune gerade noch rechtzeitig. Sonst hätte sie vielleicht einen schlimmen Fauxpas begangen, ehe Smudger die Doppeltür zur Küche erreicht hatte. Chefköche waren ziemlich launisch und arrogant, aber wenn sie gut waren, dann gab man sich alle erdenkliche Mühe, sie an sich zu binden. Honey hatte genau das vor.
Sie machte den Mund auf und wollte fragen, was schiefgegangen war.
»Frag nicht mal«, blaffte er.
Sie überlegte, entschied aber dann, dass sie schließlich seine Arbeitgeberin war und er der Arbeitnehmer und dass sie das gute Recht hatte, Fragen zu stellen.
»Ich nehme an, der Salamander war nicht besonders.«
»Frag nicht«, knurrte er zurück und stapfte zur Küche.
Lindsey drückte den Wiedergabeknopf auf dem Stimmenrecorder, an den sie sich gerade erst gewöhnte. Das Gerät zeichnete Gespräche auf, die man dann auf den Computer übertragen konnte. Es sollte für Telefonreservierungen eingesetzt werden. Lindsey probierte es gerade aus.
Smudgers Stimme erklang erneut.
»O je. Ich denke, heute wird in der Küche nicht viel Harmonie herrschen«, meinte sie.
Da musste Honey ihr beipflichten. »Und alles wegen eines Salamanders.« Sie verzog das Gesicht. »Ich wüsste zu gern, was schiefgelaufen ist. Ich frage ihn besser – wenn er sich ein wenig beruhigt hat.«
Charles Sheet kam zu ihr, um sich zu versichern, dass für Doherty ein zusätzlicher Platz reserviert war, sodass er mit dem Verein zu Mittag essen konnte. Honey erwiderte, dass das noch nicht geschehen war und entschuldigte sich für das Versehen.
»Ich bin mir sicher, dass er nur zu gern mit Ihnen essen würde.«
Da war sie sich eigentlich überhaupt nicht sicher, aber als erfahrene Hotelbesitzerin wusste sie, dass die erste Regel war, dem Gast das zu sagen, was er oder sie hören wollte. Dann wäre mindestens eine Zeitlang alles gut.
Lindsey war eine ebenso erfahrene Komplizin. »Ich sorge dafür, dass das Gedeck aufgelegt wird«, sagte sie mit derAufrichtigkeit, die einem im Hotelgewerbe zur zweiten Natur wird.
Aber weder Hotelbesitzerinnen noch Vorsitzende von Fanclubs können etwas gegen unerwartete Ereignisse ausrichten. Honey erspähte Doherty, der aus dem Konferenzraum kam. Er schaute ernst drein und hatte das Handy am Ohr.
»Er wirkt erleichtert«, bemerkte Honey, »wenn auch sehr beschäftigt.«
Lindsey schaute ihn ebenfalls an. »Das kannst du laut sagen. Ehe er reinging, wirkte er, als hätte er ein Gespenst gesehen.«
»Ein Geist im Hotel reicht vollkommen«, antwortete Honey mit Bezug auf Sir Cedric.
»Den würde ich gern mal sehen«, meinte Lindsey und knabberte weiter an ihrem Kugelschreiber.
»Ich auch.« Honeys Bemerkung folgte einem tiefen Seufzer.
»Du redest von Doherty. Ich von Sir Cedric.«
»Jawohl. Ich komme sofort«, sagte Doherty.
Seine Stimme klang ernst, und seine Miene war ebenfalls ernst, doch Honey kannte ihn nun lange genug, um misstrauisch zu sein. Sie war vertraut mit diesem seriösen Gesichtsausdruck, konnte aber immer sagen, wann er nur Theater spielte. Wo war jetzt dieses winzige Zucken unter seinem rechten Auge, das er immer hatte, wenn ein schweres Verbrechen, also ein Mord geschehen war?
Sie hängte sich bei ihm ein und zog ihn eng an sich. Mit der freien Hand strich sie ihm übers Gesicht. Gleichzeitig lächelte sie ihn so liebevoll an, dass er sich in Sicherheit wiegen konnte.
Er lächelte zurück, und seine Stimme wurde ein wenig weicher. »Ich brauche nicht mehr lange. Ich habe erst nocheine persönliche Angelegenheit zu erledigen, und dann komme ich gleich«, sagte er in sein Telefon.
»Persönliche Angelegenheit, dass ich nicht lache«, murmelte Honey.
»Nun ... ja.«
Seine Worte ergaben keinerlei Sinn, und er hatte auch nicht den Raubvogelblick im Gesicht. Wenn es eine schwierige Aufgabe zu erledigen galt, wenn ein Mörder zu
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