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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
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aussah. An der Nase hing das Gegenstück dazu.
    Lindsey sah Archie ganz cool. »Das ist nur eine vorübergehende Phase. Ich bin gespannt, was dann rauskommt, also bleib ich mal dran, nur um zu sehen, wie er sich entwickelt.«
    Ihre Mutter war sich überhaupt nicht sicher, als was sich Archie entpuppen würde. Ob sie das je sehen würde, hing davon ab, wie lange Lindsey die Geduld nicht verlor und neugierig genug war, um sich weiter mit Archie abzugeben.
    Was nun ihre eigene Beziehung anging, so konnte Honey Doherty wirklich nicht cool sehen, zumindest nicht vor ihrer Tochter. »Ich bin da einfach empfindlich«, hatte sie ihrer Freundin Rachel erklärt, mit der sie am Tag zuvor zu Mittag gegessen hatte.
    »Du bist schlicht altmodisch, Honey. Erinnerst du dich noch an Pauline Palmer? Die hat seit ihrer Scheidung vom guten alten Dave, dem Baumeister, mit mindestens vier Männern zusammengelebt. Und die hat drei Kinder.«
    »Und du?«
    Rachel hatte eine Pause eingelegt. »Justin ist im College. Ich beschränke meine Liaisons auf die Zeiten, wenn er nicht im Haus ist. Aber da ist letztens einiges schiefgelaufen. Er hat mich erwischt, als er unerwartet nach Hause kam.«
    »Und?«
    Noch eine inhaltsschwere Pause. »Er hat mich belehrt, dass bei Frauen über fünfzig Chlamydien-Infektionen besonders häufig sind. Ich war fuchsteufelswild! Ich bin doch erst sechsundvierzig!«
    Alte Freundinnen waren nicht die besten Gesprächspartnerinnen, wenn es um feste Beziehungen ging. Rachel war der beste Beweis dafür. Sie hielt es nie lange mit einem Mann aus, und Treue war für sie ein Fremdwort.
    »Ich langweile mich so schnell«, sagte sie, während sie einen Löffel mit dicker Sahne und Käsekuchen mit Rosinen in den Mund schob.
    Öfter als einmal im Monat mit Rachel zu Mittag zu essen war nicht gut für die Figur. Und als Kummerkastentante war sie total ungeeignet.
    Seufzend stützte Honey ihr Kinn auf die Hände und wandte sich wieder dem Marketingplan für das nächste Jahr zu.
    Da drang eine unverkennbare Stimme an ihr Ohr. »Guten Morgen, all ihr Lieben.«
    Mary Jane, die ständige Bewohnerin des Green River Hotels, kam die Treppe heruntergeschwebt und hätte ausgesehen wie eine Erscheinung aus längst vergangener Zeit, wäre nicht ihre Kleidung gewesen. Sie war groß und dünn und hatte hellblaue Augen, die einen mit einem furchterregenden Blick fixieren konnten, wenn etwas sie heftig beschäftigte – und das geschah häufig.
    Ihr Modegeschmack war in einer Zeitschleife steckengeblieben und auf zwei Lieblingsfarben begrenzt – pistaziengrün und quietschpink. Heute trug sie einen Trainingsanzug aus einer Art schimmerndem Samt, der große Mode gewesen war, als vor einigen Jahren alle Welt Plateausohlen trug und sich die Haare hochtoupierte. Diese neonbunten Outfits waren zwar altmodisch, aber das Positive daran war, dass selbst in einer mondlosen Nacht kein Bus die alte Dame überfahren würde.
    Sie machte mit ihren langen Beinen große Schritte, schien aber trotzdem beinahe durch den Raum zu schweben. Sie hatte Honey und Lindsey erreicht, ehe die damit gerechnet hatten. Trotz einer Lawine von Puder und mehr Fältchen als ein uralter Apfel hatte das Gesicht mit den scharfen blauen Augen etwas, das man nicht übersehen konnte.
    »Ich hatte einen Traum«, hauchte Mary Jane atemlos und umklammerten mit ihren langen, dünnen Fingern die Kante des Empfangstresens. »Ich habe geträumt, dass ich mit meinem Auto über die Dächer flog und dann schließlich mitten im Royal Crescent wieder zur Erde herunterkam. Leider landete mein Wagen auf einem Passanten. Ich glaube, es war dieser Casper, dein Bekannter. Ich muss sagen, ich hoffe wirklich, dass es nicht so kommt. Ich möchte nicht wegen Totschlag hinter Gittern landen. Meinst du, das wäre möglich?«
    Honey tätschelte ihr beruhigend die Hand. »Hast du gestern Abend vielleicht Schimmelkäse gegessen?«
    Mary Jane nickte. »Ich hatte als Hauptgang nur Fisch, und da habe ich mir Käse und Kekse gegönnt, damit ich satt wurde.«
    »Dann kommt dein Traum daher.«
    »Ah«, meinte Mary Jane und reckte einen langen, spitzen Zeigefinger in die Luft. »Ich habe mir schon Gedanken gemacht, weil ich dieses alte Sprichwort kenne, so was wie ›Ein Freitagstraum, am Samstag erzählt, geht in Erfüllung auf der Welt‹.«
    Mutter und Tochter erstarrten – die Mutter vielleicht noch ein wenig mehr. Wenn man an Mary Janes Fahrstil dachte, dann konnte man nicht ganz ausschließen, dass dieser

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