Der Tod ist kein Gourmet
anders beerdigt werden sollte. Ich war dabei. Ich habe alles gesehen.«
»O je.« Mary Janes Augen traten ihr inzwischen beinahe aus den Höhlen. »Wer war’s?«
Honey war sprachlos. Mary Jane hatte nicht begriffen, was sie ihr gesagt hatte. Dass nämlich ihre neugefundenenFreunde sehr wohl etwas damit zu tun haben konnten. Aber Mary Jane war der Meinung, dass ihre Freunde so was einfach nicht machten.
»Sie sind Tatverdächtige, Mary Jane. Wie lange kennst du sie?«
»Ich weiß immer gleich, ob Leute anständig sind, wenn ich sie kennenlerne«, erwiderte Mary Jane hitzig. »Ich bin durchaus in der Lage, zu beurteilen, ob das Typen sind, die in der Welt rumlaufen und Menschen umbringen, und die von heute sind nicht solche Typen. Das kannst du mir glauben.«
Verzweifelt schlug Honey die Hände vors Gesicht.
»Gute Nacht! Bis morgen früh. Dann sieht alles schon viel besser aus. Bestimmt!«, versicherte ihr Mary Jane.
Es hatte keinen Zweck, Mary Jane zur Vernunft bringen zu wollen. Sie sah die Welt auf ihre eigene Weise, und damit basta.
Honey schaute zwischen ihren Fingern hindurch, und ihr Blick fiel auf die viertelvolle Flasche Rotwein, die noch dastand. Sie streckte die Hand nach einem sauberen Glas aus und schenkte es randvoll. Dann leerte sie es in einem Zug. Alkohol löste zwar keine Probleme, aber der Versuch, mit Mary Jane ein vernünftiges Gespräch zu führen, brachte einen auch nicht weiter. Und beides konnte einem schlimme Kopfschmerzen bescheren.
Neun
Lindsey half ihr, die Überreste der Party zu beseitigen.
»Und dann mach ich mich auf in die Clubs«, verkündete sie und warf das Haar aus der Stirn zurück. »Ich habe eine heiße Verabredung.«
Der Zug durch die Clubs war keine Überraschung. Die heiße Verabredung schon. Das war Honey neu.
»Jemand, den ich kenne?«
Lindsey räumte weiter auf wie ein Wirbelwind und sah nicht so aus, als wollte sie interessante Einzelheiten verraten. »Natürlich nicht. Ich würde doch mit niemandem ausgehen, den du kennst. Du hast zwar einen besseren Geschmack als Großmutter, aber ich verlasse mich bei meinen Typen lieber auf mein eigenes Fingerspitzengefühl – natürlich nicht im wörtlichen Sinn. Bis jetzt jedenfalls nicht«, fügte sie mit einem teuflischen Grinsen hinzu. »Ich nehme an, du triffst dich noch mit deinem unerschrockenen Gesetzeshüter?«
»Ich verweigere die Aussage.«
»Brauchst du gar nicht.« Lindsey legte eine Pause ein. Sie hatte wieder diesen Gesichtsausdruck, der Honey das Gefühl gab, dass ihre Tochter viel älter war als sie.
»Er ist schüchtern. Das weißt du, nicht?«, sagte Lindsey jetzt.
»Quatsch! Natürlich ist er das nicht! Im Gegenteil.«
Doherty war doch nicht schüchtern! Das würde sie schließlich wissen, oder nicht?
»Es ist ihm ein bisschen peinlich, dass ich deine Tochter bin und dass ich weiß, dass er mit meiner Mutter schläft –na ja, nicht gerade schläft, wie ich aus deinem zufriedenen Gesicht am nächsten Morgen schließen kann. Es ist ihm unangenehm, dass ich weiß, was ihr beide so treibt. Altmodisch, oder? Irgendwie niedlich. Irgendwie liebenswert.«
»Das sag ich ihm.«
»Untersteh dich! Der vergeht vor Scham.«
Sie hätte es ihm ohnehin nicht verraten, aber etwas anderes war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen.
Doherty rief kurz vor zehn an, um ihre Verabredung zu bestätigen.
»Mach dich für mich richtig sexy zurecht.«
Diese Bitte zauberte ihr ein Lächeln aufs Gesicht.
»Ich werde mein Möglichstes tun. Ich nehme an, du hattest einen schweren Tag.«
»Keinen guten jedenfalls. Wrights Tod ist wohl in den Schlagzeilen gelandet. Die Liste derer, die ihn gern umgebracht hätten, ist endlos. Aber das überrascht dich vermutlich nicht.«
Honey schnitt eine Grimasse. »Ich bin da mit meinen Kollegen im Hotelgewerbe völlig einer Meinung. Hast du meine E-Mail bekommen?«
Darin hatte sie ihm alles geschrieben, was sie über die Studenten wusste, die Wright in den Teddybär gestopft hatten, der dann sein Totenhemd werden sollte.
»Ja. Ich habe die Leute bei der Devlin-Stiftung befragt, auch das Mädchen, das vor dem Römischen Bad Spenden gesammelt hat. Sie hat bestätigt, dass sie mit den Studenten in die Kneipe gegangen ist, schwört aber, dass sie nur deren Vornamen kennt. Sie hat auch beteuert, dass Wright noch lebte, als sie ihn in den Teddybär gestopft haben, und die Autopsie hat das bestätigt.«
Zehn
Doherty hatte sie gebeten, sich für ihn sexy anzuziehen. Also gab sie
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