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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
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Sonnenschein zehren würde.
    »Es geht darum«, sagte Honey, die sich unter dem forschenden Blick ihrer Tochter ein wenig nervös fühlte, »dass Doherty um einen Gefallen gebeten hat.«
    »Geht in Ordnung. Wann soll ich da sein?«
    Das war keine normale Lindsey-Reaktion. Gewöhnlich war ihre Tochter ein wenig kecker in ihren Antworten und machte längere Sätze.
    »So bald du kannst?«
    »In Ordnung.« Lindsey war ihr Bath Magazine offensichtlich leid und wandte sich nun einem Stapel Rechnungen zu, die in Plastikhüllen steckten und abzulegen waren.
    Honey versuchte es noch einmal.
    »Ich werde wohl nicht lange brauchen. Wenn deine Großmutter kommt, sag ihr bitte, dass Mary Jane auch weggegangen ist. Ich habe sie vorhin gesehen.«
    »Klar«, murmelte Lindsey und klatschte einen Ordner auf den anderen.
    »Ich habe mir sagen lassen, sie hätten eine Séance abgehalten.«
    »Keine Überraschung. Alle Hexen auf einem Haufen.«
    Sieh an, Lindsey hatte sauschlechte Laune. Honey runzelte die Stirn. Das war wirklich besorgniserregend. Lindsey war doch nie launisch. Selbst als Säugling war sie immer fröhlich gewesen und mit den Unwägbarkeiten der Erwachsenen gut klargekommen. Honey hatte sich nie für eine Naturbegabung als Mutter gehalten, aber für eine liebevolle Mutter, die sich ihren Lebensunterhalt unter schwierigen Umständen und immer selbst verdienen musste. Sie war aus purer Notwendigkeit eine so moderne, unabhängige Frau geworden. Carl, Lindseys Vater, war mehr fort als anwesend. Er hatte Hobbys, er hatte alle möglichen Probleme, und er hatte Freundinnen. Im Grunde war Carl nie richtig erwachsen geworden. Er hatte die Absicht gehabt, für immer blond und attraktiv zu bleiben, der Peter Pan unter den Mittvierzigern. Leider hatte ein Bootsunfall dieses kleine Märchen zerstört. Er war mitten auf dem Atlantik ertrunken. Und so hatte Lindsey nur noch ihre liebevolle Mutter und ihre exzentrische Großmutter.
    Inzwischen hatte Lindsey auch von den Akten die Nase voll und lehnte sich im Stuhl zurück. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und brachte sie so in größte Unordnung. Normalerweise starrte sie ständig auf den Computermonitor. Heute starrte sie nur Löcher in die Luft, anscheinend völlig unfähig, sich zu konzentrieren. So war sie sonst nie. Sie konnte sich immer hervorragend konzentrieren. Das war ihr zur zweiten Natur geworden.
    Da stimmte doch was nicht.
    »Was ist los?«
    »Nichts.«
    Honey kannte die Anzeichen. In der Teenagersprachehieß »nichts«, dass etwas sehr Ärgerliches geschehen war. Und da hatte sie recht.
    »Das glaube ich dir nicht.«
    »Ich stehe ziemlich unter Druck.«
    Honey stellte die Segeltuchtasche mit den Einnahmen neben ihrer braunen Schultertasche auf dem Empfangstresen ab. Sie streckte die Hand aus und strich ihrer Tochter über die Schulter.
    »Probleme mit dem Freund?«
    »Schön wär’s.«
    »So schlimm kann es doch nicht sein.«
    »Doch. Stell dir das Allerschlimmste vor.«
    Honey zuckte die Achseln. Sie konnte sich keine Antwort denken.
    Sie hatte in ihrem Leben schon zu viel Allerschlimmstes erlebt. Lindseys Allerschlimmstes konnte etwas völlig anderes sein, aber trotzdem wirklich schlimm.
    Sie löste sanft die Finger ihrer Tochter, die immer noch an deren Frisur herumzupften, und nahm dann beide Hände zwischen die ihren.
    »Raus damit, Süße.«
    »Gloria hat es mit dir aufgegeben. Jetzt konzentriert sie sich auf mich. Kurz gesagt, sie versucht mich mit einem Typ zu verkuppeln, der alle Kriterien erfüllt. Ihre Kriterien, wohlgemerkt.«
    Honeys Griff wurde fester. »Sie hat Archie gesehen?«
    »Sie hat einen spitzen Schrei ausgestoßen, als sie Archie gesehen hat.«
    Honey hielt die Luft an. »Du lieber Himmel. Die Sache ist wirklich ernst.«
    Sogar verdammt ernst. Lindseys Worte brachten ihr alle schrecklichen Augenblicke mit ihrer Mutter wieder in Erinnerung.
    Gloria Cross war im Geiste nie älter als dreißig geworden. Mit siebzig war sie noch so makellos zurechtgemacht wie mit fünfundzwanzig – vielleicht sogar makelloser.
    Das Nasenpiercing, das sie sich kürzlich hatte stechen lassen, war nur ein Beispiel dafür. Honey hatte so getan, als hätte sie es nicht bemerkt, aber das ließ ihr Gloria nicht durchgehen.
    »Gefällt es dir?«, hatte sie eindringlich gefragt.
    Honey hatte nur stumm genickt und war unfähig gewesen, ihre Augen von diesem Anblick loszureißen.
    Ihre Mutter bestand darauf, von ihrer Enkelin Gloria genannt zu werden. Sie

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