Der Tod ist kein Gourmet
versuchte stets, so großartig wie möglich auszusehen. Ihr Haar war blond und wurde wöchentlich von einem der besten Friseure von Bath sorgsam gepflegt. Ihr Körper erfreute sich der liebevollen Behandlung in einer Reihe von Schönheitssalons und Botox-Zentren. Altwerden war eine Herausforderung, der man sich im besten kämpferischen Geist stellen musste, fand Gloria Cross. Man musste sich gegen alles, was mit dem Altern zu tun hatte, resolut zur Wehr setzen. Und dazu gehörte auch die Tatsache, dass man Großmutter war.
Gloria Cross führte ein recht turbulentes Leben. Sie hatte auch ein Hobby: Sie meinte, ein Händchen für die Anbahnung von Partnerschaften zu haben. Sie war überzeugt, die Männer besser zu kennen als ihre Tochter – schwer zu glauben, wenn man bedachte, dass sie immerhin viermal verheiratet gewesen war.
Wenn man Gloria fragte, dann war die Topkundin für ihre Heiratsvermittlung Honey selbst.
»Du brauchst einen Mann«, hatte ihre Mutter verkündet.
»Ich habe einen«, hatte Honey erwidert.
»Der ist doch nur eine flüchtige Affäre. Der hat nicht das Zeug zu einem Ehemann.«
Damit bezog sie sich natürlich auf Detective Chief Inspector Steve Doherty.
Es hatte Zeiten gegeben, in denen Honey das dringende Bedürfnis verspürt hatte, sich zu kneifen und jedes Exemplar von Stolz und Vorurteil höchstpersönlich zu zerreißen – und alles andere von Jane Austen gleich noch dazu, wenn es nach ihr ging – und in den Fluss zu werfen.
Als Gloria begriffen hatte, dass ihre Tochter Hannah (die sie als Einzige noch mit dem Taufnamen anredete) Doherty wohl nicht aufgeben würde, hatte sie nun offenbar ihre Aufmerksamkeit (und vermeintlichen Fähigkeiten) auf ihre Enkelin konzentriert.
Lindsey war darüber keineswegs erfreut. »Weißt du, was sie gesagt hat? ›Ich habe für dich einen Akademiker gefunden.‹ Das hat sie gesagt!«
»Oh! Wie schrecklich!«
Lindsey warf ihrer Mutter einen jener Blicke zu, mit denen sonst alte Damen junge Männer anfunkeln, wenn sie ihnen im Bus keinen Sitzplatz anbieten.
»Er hat eine Brille und ordentlich gescheiteltes dunkles Haar.«
»So furchtbar ist das auch wieder nicht. Viele gutaussehende Männer tragen eine Brille und haben ordentlich frisiertes dunkles Haar.«
»Er hat auch Fahrradklammern an der Hose, und er trägt gestreifte Flanellschlafanzüge.«
»Woher weißt du ...?«
Honey kam nicht dazu, ihre Frage zu beenden.
»Moment! Ehe du mich fragst, woher ich das weiß, nicht aus persönlicher Erfahrung! Oma hat mir gesagt, dass seine Mutter die für ihn kauft.«
»Au weia!«
Lindsey seufzte.
Honey schloss sich ihr an. Da fiel ihr der kleine Lichtstrahl ein, der ihre Tochter vielleicht aufheitern könnte.
»Ich habe doch gerade erwähnt, dass Doherty uns um einen Gefallen gebeten hat?«
»Hm.« Lindsey nickte
»Es bringt ihm jemand eine CD , auf der jede Menge Kritiken stehen, die Wright über Hotels in Bath geschrieben hat. Wir bleiben fürs Erste bei Bath, weil das sein liebstes Jagdrevier war – wenn du weißt, was ich meine. Ich glaube, er hat sich immer gern an die kleineren Leute gehalten.«
»Und in Bath werden die meisten Hotels von kleineren Leuten geführt.«
»Genau. Was Doherty möchte, ist, dass jemand – du – die Kritiken durchsieht und die besonders schlechten in einer separaten Datei auflistet. Würdest du das tun?«
Der Blick, den Lindsey ihrer Mutter zuwarf, konnte ungefähr als »Soll das ein Witz sein? Ich bin bei so was einfach Weltspitze!« gedeutet werden.
»Die warten schon auf dich, und man hat mir verraten, dass der Computer nahe beim Trinkwasserspender ist. Da kannst du dir all die knackigen Polizisten ansehen, die sich Wasser holen. Was meinst du?«
»Öfter mal was Neues, wie man so schön sagt.« Lindsey strich sich das Haar glatt und machte sich mit neuem Schwung an die Computer-Tastatur, um abzuschließen, womit sie gerade beschäftigt gewesen war.
Honey kannte diese Situation. Ihre Mutter konnte einfach nicht anders. Honey hatte sich oft gefragt, woran das liegen mochte. Die einzige Erklärung, die ihr eingefallen war: Ihre Mutter schaffte es heutzutage selbst nicht mehr, so viele Männer zu angeln, und da konzentrierte sie sich eben darauf, welche für ihre Tochter und jetzt sogar für ihre Enkelin an Land zu ziehen.
Die Lage hatte sich nun anscheinend ein wenig entspannt. Also warf sich Honey Geldtasche und Handtasche über die Schulter und verzog sich.
In der Stadt war viel los. Es war schönes
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