Der Tod ist mein Beruf
Gut kaufen zu können und auf diese Weise über die Zukunft beruhigt zu sein.
Von dem wenigen, das wir verdienten, etwas zurückzulegen hieß jeden Pfennig umdrehen und sich das Nötigste versagen. Doch wir beschlossen, es zu tun, und von diesem Tage an begann für uns beide und unsere Kinder ein System der Einschränkung von unerhörter Strenge. Drei Jahre wichen wir nicht im geringsten davon ab. Gewiß führten wir ein sehr hartes Leben, aber dennoch empfand ich bei jeder neuen Entbehrung (sogar als ich zum Beispiel auf den Tabak verzichten mußte) ein lebhaftes Vergnügen, wenn ich daran dachte, daß wir uns allmählich dem Ziel näherten und daß ein Tag kommen würde, an dem ich Grund und Boden besäße, der ganz mein eigen wäre, und ich mir endlich mit absoluter Gewißheit sagen könnte, daß ich niemals wieder Hunger leiden würde. Elsie fand, daß die Bauernvereinigung und der Bund mir viel Zeit wegnähmen, und schließlich, da ich den Hof nicht vernachlässigen wollte, beklagte sie sich darüber, daß ich mich von Jahr zu Jahr immer mehr übernähme. Ich fühlte übrigens selbst mitunter die Schwere meiner Aufgaben, und ich gestand mir beschämt, daß ich an meiner kämpferischen Tätigkeit nicht mehr soviel Gefallen fand wie einst. Es war nicht so, daß mein patriotischer Eifer oder meine Treue gegenüber dem Führer im geringsten nachgelassen hätte. Aber der Wunsch, mir ein Gut zu kaufen, dort Wurzel zu fassen und meine Familie sicherzustellen, war in mir so stark geworden, daß ich es manchmal beinahe bedauerte, aus dem Räderwerk, in das meine frühere politische Tätigkeit mein Leben verwickelt hatte, nicht heraus zu können. Es war mir zum Beispiel ganz klar, daß, wenn ich nicht im Freikorps gekämpft noch mich in der SA betätigt, noch Kadow gerichtet hätte, Jeseritz oder Himmler niemals daran gedacht hätten, mich für den Bund oder zur Bildung einer SS-Reiterabteilung zu werben. Und mir kam zuweilen der Gedanke, daß, da ich in der Vergangenheit meinem politischen Glauben so viel geopfert hatte, ich ihm in der Zukunft um so mehr opfern müßte; daß es keine Möglichkeit mehr gäbe, loszukommen, da ich sonst vielleicht die Aussichten auf ein friedliches Leben für mich und meine Familie gefährden würde. Jedoch kämpfte ich gegen diese Gedanken an, denn mir war klar, daß sie vom Egoismus diktiert wurden und daß der Wunsch, meine Lage zu verbessern, im Hinblick auf das Schicksal Deutschlands nur kleinlicher Ehrgeiz war. Es ist sonderbar, daß ich damals aus dem Beispiel meines Vaters die Kraft zog, diesen Schwächeanwandlungen zu widerstehen. Ich sagte mir tatsächlich, daß, wenn Vater den Mut gefunden hatte, täglich einem Gott, den es nicht gab, unglaubliche Opfer zu bringen, ich, der ich an ein sichtbares Ideal glaubte, das sich in einem Menschen von Fleisch und Blut verkörperte, mich mit besserem Grund ganz meinem Glauben hingeben sollte, ohne auf mein Interesse oder, wenn es sein müßte, auf mein Leben Rücksicht zu nehmen. Trotzdem kam ich nicht um ein peinliches Gefühl herum, das noch durch einen dummen Vorfall bestärkt wurde, der sich im April 1932 ereignete. Seit einiger Zeit sah der Bund eines benachbarten Dorfes seine Fortschritte durch die Propaganda eines Schmiedes namens Herzfeld gehemmt, der unter den Bauern große Autorität besaß, teils auf Grund seiner körperlichen Kraft, teils wegen seiner Witze und seiner Beredsamkeit. Er hatte den Bund aufs Korn genommen, er machte sich offen über dessen Führer lustig und erging sich ganz allgemein in zersetzenden und antipatriotischen Reden. Der örtliche Bund war außerstande, ihn zum Schweigen zu bringen, und rief mich zu Hilfe. Ich berichtete darüber meinen Führern, und sie gaben mir freie Hand. Ich legte also Herzfeld einen Hinterhalt, er tappte hinein, und ein Dutzend meiner Jungens stürzten sich mit Knüppeln auf ihn. Er kämpfte wie ein Löwe, setzte zwei von ihnen außer Gefecht; und die andern, außer sich vor Wut, als sie die beiden fallen sahen, schlugen wie die Verrückten los. Als ich dazwischentrat, war es zu spät: Herzfeld lag mit zerschmettertem Schädel am Boden. Unter diesen Umständen war es unmöglich, eine Untersuchung zu vermeiden. Aber die Führer der Partei und des Bundes bemühten sich darum, die Polizei betrieb die Sache sehr lässig, man fand Zeugen, die bestätigten, daß es sich um einen Streit, in betrunkenem Zustand, wegen eines Mädchens gehandelt habe, und die Angelegenheit wurde abgesetzt.
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