Der Tod ist mein Beruf
es bei meiner Ehre als SS-Offizier. "
"Ich mache Sie darauf aufmerksam", fuhr er nach einer Weile fort, "daß Sie gehalten sind, es niemandem zu offenbaren, selbst nicht Ihrem Vorgesetzten, Gruppenführer Görtz."
Ich fühlte mich unbehaglich. Da die Lager unmittelbar dem Reichsführer unterstanden, war es nicht außergewöhnlich, daß er mir Weisungen gab, ohne daß sie über Görtz gingen. Aber es war dagegen höchst erstaunlich, daß er es ohne dessen Wissen tat. "Sie dürfen sich über diese Anordnung nicht wundern", fuhr Himmler fort, wie wenn er meine Gedanken gelesen hätte. "Sie stellt keinerlei Ausdruck des Mißtrauens gegen den Inspekteur der Lager, Gruppenführer Görtz dar. Dieser wird später davon in Kenntnis gesetzt, zu einem Zeitpunkt, den ich bestimmen werde."
Der Reichsführer bewegte den Kopf, und die untere Hälfte seines Gesichts trat ins Licht. Seine dünnen, bartlosen Lippen waren zusammengepreßt. "Der Führer", sagte er mit klarer Stimme, "hat die endgültige Lösung des Judenproblems in Europa befohlen."
Er machte eine Pause und setzte hinzu: "Sie sind dazu ausersehen, diese Aufgabe durchzuführen."
Ich sah ihn an. Er sagte schroff: "Sie sehen bestürzt aus. Der Gedanke, mit den Juden Schluß zu machen, ist doch nicht neu."
"Nein, Reichsführer. Ich bin nur überrascht, daß man mich dazu ausersehen hat."
Er schnitt mir das Wort ab: "Sie werden die Gründe dieser Wahl erfahren, Sie ehren Sie."
Er fuhr fort: "Der Führer ist der Meinung, daß, wenn wir die Juden nicht jetzt ausrotten, sie später das deutsche Volk ausrotten werden. Also stellt sich die Frage folgendermaßen: sie oder wir."
Er sagte mit Nachdruck: "Sturmbannführer, haben wir zu einer Zeit, in der die jungen deutschen Männer gegen den Bolschewismus kämpfen, das Recht, das deutsche Volk dieser Gefahr auszusetzen ?"
Ich antwortete ohne Zögern: "Nein, Reichsführer."
Er legte beide Hände flach an den Leibriemen und sagte mit dem Ausdruck tiefer Befriedigung: "Kein Deutscher könnte anders antworten."
Ein Schweigen entstand, dann richtete sich sein ausdrucksloser Blick auf einen Punkt über meinem Kopf, und er fuhr fort, als ob er vorläse: "Ich habe das KZ Auschwitz als Ort der Vollstreckung gewählt, weil es am Schnittpunkt von vier Eisenbahnlinien liegt und für die Transporte leicht erreichbar ist. Außerdem ist die Gegend einsam, wenig bevölkert und bietet folglich günstige Voraussetzungen für die Abwicklung eines geheimen Unternehmens."
Er senkte den Blick zu mir herunter . "Sie habe ich wegen Ihres Organisationstalents gewählt. .."
Er bewegte sich leicht im Schatten und sagte betont und deutlich: ". ..und wegen Ihrer seltenen Gewissenhaftigkeit. Sie müssen wissen", fuhr er gleich darauf fort, "daß in Polen bereits drei Vernichtungslager bestehen: Belzek, Wolzek und Treblinka. Diese Lager befriedigen nicht. Erstens: sie sind klein, und die Örtlichkeit erlaubt keine Ausdehnung. Zweitens: sie werden schlecht verwaltet. Drittens: die dort angewandten Methoden sind wahrscheinlich mangelhaft. Nach dem Bericht des Lagerkommandanten von Treblinka hat er in sechs Monaten nicht mehr als achtzigtausend Einheiten liquidieren können."
Der Reichsführer machte eine Pause und sagte mit ernster Miene: "Dieses Ergebnis ist lächerlich. In zwei Tagen", fuhr er fort, "wird der Obersturmbannführer Wulfslang Sie in Auschwitz aufsuchen und Ihnen das Tempo und den Umfang der Transporte für die künftigen Monate mitteilen. Nach seinem Besuch begeben Sie sich in das Lager Treblinka und liefern dann im Hinblick auf die mittelmäßigen Ergebnisse eine konstruktive Kritik der angewandten Methoden. In vier Wochen. .."
Er verbesserte sich: ". ..in genau vier Wochen liefern Sie mir einen genauen Plan im Maßstab der historischen Aufgabe, die Ihnen obliegt."
Er winkte mit der rechten Hand. Ich stand auf. "Haben Sie Einwendungen?"
"Nein, Reichsführer."
"Haben Sie noch irgendwelche Bemerkungen zu machen?"
"Nein, Reichsführer."
"Gut."
Er sagte mit betonter Entschiedenheit, aber ohne die Stimme zu heben: "Das ist ein Befehl des Führers!"
Er setzte hinzu: "Sie haben jetzt die schwere Mission, den Befehl auszuführen."
Ich stand stramm und sagte: "Jawohl, Reichsführer."
Meine Stimme erschien mir in der Stille des Zimmers schwach und heiser, Ich grüßte, er erwiderte meinen Gruß, ich machte kehrt und ging zur Tür. Sobald ich den Lichtkreis der Lampe verlassen hatte, schlug die Dunkelheit über mir zusammen, und ich
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