Der Tod ist mein Beruf
werden könne. Er bitte also, künftig davon abzusehen, sie erneut vorzubringen, und ihm die Sorge zu überlassen, für die Waffen-SS diejenigen, welche die Lagerverwaltung notfalls entbehren könnte, selbst zu bestimmen. Soweit es mich betraf, ließ dies mir wenig Hoffnung für die Zukunft. Denn ich war schon seit fünf Jahren in der Lagerverwaltung, hatte alle ihre Sprossen bereits erklommen, kannte den ganzen Betrieb, und es bestand wenig Aussicht, daß die Wahl des Reichsführers auf mich fallen würde. Ich fand mich nur schwer mit dem Leben eines Funktionärs ab, das jetzt das meine war, wenn ich an die Kameraden dachte, die an der Front kämpften. Polen wurde, wie zu erwarten gewesen war, rasch erledigt, dann schlief der Krieg ein, der Frühling 194O kam heran, man sprach immer mehr von einer Blitzoffensive, und der Führer hielt Anfang Mai im Reichstag eine wichtige Rede. Er erklärte, daß jetzt, da Polen aufgehört habe zu bestehen und Danzig ins Reich heimgekehrt sei, die Demokraten keinen Grund mehr hätten, mit dem Reich keine friedliche Regelung der europäischen Probleme zu suchen. Wenn sie es nicht täten, so darum, weil sich ihre jüdischen Herren dem widersetzten. Die Schlußfolgerung sei klar: Das Weltjudentum hätte den Zeitpunkt für günstig gehalten, gegen das Reich eine Koalition zusammenzubringen und mit dem Nationalsozialismus endgültig abzurechnen. In diesem Kampf wäre Deutschland wieder einmal gezwungen, sein Geschick aufs Spiel zu setzen. Aber die Demokratien und das Weltjudentum täuschten sich schwer, wenn sie glaubten, daß sich die Schande von 1918 wiederholen würde. Das Dritte Reich führe diesen Kampf mit einem unbeugsamen Willen, und der Führer erklärte feierlich, daß die Feinde des nationalsozialistischen Staates schnell und hart gezüchtigt werden würden. Was die Juden angehe, so würden sie überall, wo es möglich wäre, und überall, wo wir sie auf unserm Wege antreffen würden, ausgerottet werden. Drei Tage nach dieser Rede empfing ich vom Reichsführer SS den Befehl, mich nach Polen zu begeben und eine ehemalige polnische Artilleriekaserne in ein Konzentrationslager zu verwandeln. Dieses neue KZ sollte nach dem Namen des nächstgelegenen Ortes Auschwitz heißen.
Ich entschied, daß Elsie und die Kinder vorläufig in Dachau bleiben sollten, und fuhr mit dem Obersturmführer Setzler, dem Hauptscharführer Benz und einem Chauffeur ab. Mitten in der Nacht kam ich in Auschwitz an, übernachtete in einem requirierten Hause und besuchte am nächsten Tag das alte Lager. Es lag ungefähr drei Kilometer vom Ort entfernt. Aber das KZ sollte weit über die Kasernen der polnischen Artilleristen ausgedehnt werden und dazu noch ein anderes Lager einbegreifen, das bei der Ortschaft Birkenau in einer getrennten Umzäunung lag. Um die zwei Lager herum war ein weites Gebiet von achttausend Hektar enteignet worden, um einer intensiven Bodenkultur unterzogen zu werden oder industrielle Anlagen aufzunehmen. Ich fuhr von einem Ende zum anderen. Das Land war vollkommen flach, von Sümpfen und Wäldern durchzogen. Die Wege waren in schlechtem Zustand, kaum gekennzeichnet, und verloren sich in Brachfeld. Häuser waren selten und erschienen in dieser grenzenlosen Ebene klein und verloren. Die ganze Zeit über, die meine Rundfahrt dauerte, begegnete ich keiner lebenden Seele. Ich ließ den Wagen halten und ging allein ein paar hundert Meter zu Fuß, um mir die Beine zu vertreten. Die Luft war lau, von einem fauligen Sumpfgeruch erfüllt. Es herrschte vollkommene Stille. Der Horizont war sozusagen auf gleicher Höhe mit dem Erdboden. Er bildete eine schwarze Linie, die kaum hier und da von einigen Baumgruppen unterbrochen wurde. Trotz der Jahreszeit hing der Himmel niedrig und regenschwer herab, und über dem Horizont zog sich ein grauer Wolkenstreif hin. Soweit der Blick reichte, gab es keine einzige Bodenwelle. Alles war flach, öde, maßlos. Ich ging zurück und war froh, als ich wieder ins Auto steigen konnte. Die polnischen Kasernen waren von Ungeziefer verseucht, und meine erste Sorge war, sie reinigen zu lassen. Die Insektenpulverfabrik Weerle & Frischler in Hamburg sandte mir eine ziemlich beträchtliche Menge Giftgas in Kristallform. Da die Handhabung der Kristalle sehr gefährlich war, schickte sie mir zwei technische Gehilfen mit, die selbst die Desinfektion vornahmen, wobei sie sich durch alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln schützten. Ein Kommando polnischer Kriegsgefangener wurde
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