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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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klappte einen Plan von Soho auf. »Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen …«
     
    Es war bedeckt und nieselig-feucht, als Morse am frühen Abend wie ein moderner Orpheus den Tiefen der U-Bahn-Station Piccadilly Circus entstieg, von wo aus er sich nach einem kurzen Blick auf seinen Stadtplan auf ziemlich direktem Wege zu einer schmalen, schmuddeligen Straße begab, deren Etablissements XXX-Videos und Magazine (importiert), Sexshows (live), Striptease (ohne Pause) – und eine Auswahl frischer Sandwiches anpriesen.
    Das Striplokal, vor dem er stehenblieb, war unverkennbar Le Club Sexy , allerdings trug es inzwischen den prosaischen Namen Girls Girls Girls. Im Vergleich dazu hatten die früheren Besitzer mit ihrer Namensgebung einen geradezu üppigen Einfallsreichtum bewiesen.
    Irgend etwas – vielleicht ein Drang zu Höherem – veranlaßte Morse, den Blick von der schrillen Fassade im Erdgeschoß zu der eindrucksvollen Architektur der Obergeschosse zu erheben.
    Allerdings nicht lange.
    »Kommen Sie rein aus dem Regen, Sir. Hübsche Mädchen warten auf Sie.«
    Morse zeigte seinen Ausweis und trat in den Schutz des engen Vorraums.
    »Kennen Sie die da?«
    Die junge Frau, deren schwarze Strümpfe und schwarzer Minirock sich da trafen, wo ihre Oberschenkel anfingen, warf nur einen flüchtigen Blick auf das Foto, das Morse ihr unter die Nase hielt.
    »Nein.«
    »Wem gehört der Laden? Ich möchte den Besitzer sprechen.«
    »Die Besitzerin. Aber die is jetzt nich da. Schau doch später noch mal rein, Süßer.«
    Ein behelmter Polizist ging langsam auf der anderen Straßenseite vorbei, und Morse rief ihn zu sich.
    »Okay«, sagte die junge Frau rasch. »Sie waren schon mal hier, nich?«
    »Ah … ja. Einer meiner Mitarbeiter.«
    »Meine Mama hat sie gekannt, das hab ich dem anderen Typ auch gesagt. Moment.«
    Sie ging rasch die schmuddelige Treppe hinunter.
    »Was kann ich für Sie tun, Sir?«
    Morse zeigte seinen Dienstausweis. »Wenn Sie mich ein paar Minuten im Auge behalten könnten …«
    Doch das erwies sich als unnötig. Drei Minuten später hatte Morse eine Adresse in der Praed Street, nur ein paar hundert Meter von Paddington Station entfernt, wo er vorhin am Eingang zur U-Bahn das Bronzestandbild eines seiner Helden, Isambard Kingdom Brunei, bewundert hatte.
    Morse fuhr mit der Tube zurück. Es war eine recht sonderbare Rundfahrt gewesen.
     
    Sie war zu Hause und bat ihn hinein.
    Und Morse nahm, auf einem mottenzerfressenen Sofa sitzend, dankend eine Tasse Nescafé an.
    »Angie Martin? Miese kleine Nutte, aber große Rosinen im Kopf.«
    »Erzählen Sie mir ein bißchen was von ihr.«
    »Sie sind schon der zweite …«
    »Äh, ja. Einer meiner Mitarbeiter …«
    »Der andere war kein Bulle. Ausgeschlossen. Da wette ich um zwei Zwanziger mit Ihnen.«
    »Was wollte er denn wissen?«
    »Wahrscheinlich dasselbe wie Sie.«
    »Muß ja eine tolle Braut gewesen sein.«
    »Phantastische Beine, das muß ihr der Neid lassen. Die meisten kriegen heutzutage doch keinen gekonnten Strip mehr hin.«
    »Aber sie war gut?«
    »Und ob. Die Kerle waren ganz verrückt nach ihr, haben ihr Fünfer zwischen die Titten und in die Strapse gesteckt. Jede Menge.«
    »Sie war demnach so was wie ein Kassenmagnet.«
    »War sie.«
    »Und dann?«
    »Einer von diesen Typen hat sich an sie rangemacht, sich nach der Show mit ihr getroffen und so und hat wohl romantische Anwandlungen gekriegt, der Dussel, jedenfalls hat er sie mitgenommen. Vornehmer Pinkel. Hat ihr alles geboten, was sie nur wollte – feine Klamotten, Geld, Hotels und und und …«
    »Wissen Sie noch, wie er hieß?«
    »Ja. Der andere Typ hat mir ein Foto von ihm gezeigt.«
    »Und er hieß –«
    »Julius Caesar. Oder so ähnlich.«
    Morse zückte das Foto von Mr. und Mrs. Julian Storrs.
    »Genau. Das ist er. Mit Angie.«
    »Wissen Sie, weshalb ich mich nach ihr erkundige?«
    Sie warf ihm einen schlauen Blick zu. Das gelbe Krisselhaar hatte einen breiten grauen Ansatz an Stirn und Schläfen.
    »Ich kann’s mir ungefähr denken.«
    »Hat Ihnen das mein – äh – Kollege erzählt?«
    »Nee, das hab ich mir selber zusammengereimt. Sie wollte vergessen, wer sie war, wollte nicht rauslassen, daß sie mal ’ne billige Nutte gewesen ist, die ihre Beine für’n Fünfer breitgemacht hat. Na ja, Klasse hatte Angie schon, da gibt’s nichts.«
    »Wären Sie bereit, nach Oxford zu kommen – wir zahlen Ihnen natürlich Ihre Unkosten –, um ein Protokoll zu unterschreiben?«
    »Oxford? Klar,

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