Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Feix
Vom Netzwerk:
Neigung so fest verankert wäre, daß mit einer entscheidenden Wendung in seinem Verhalten weder durch therapeutische Maßnahmen noch durch Strafe gerechnet werden könnte. Der Bartsch-Verteidiger Möller aus Wuppertal beantragte, den Angeklagten zusätzlich durch den bekannten Hamburger Sexualforscher Giese untersuchen zu lassen. Professor Giese, den Möller vorsorglich nach Wuppertal hatte kommen lassen, forderte kategorisch „wissenschaftliche Erforschung eines so exemplarischen Falles in meinem Institut unter sicherem Gewahrsam".
    Oberstaatsanwalt Klein war dagegen. Er würde, wie er sagte, „schlaflose Nächte bekommen, wenn Bartsch zur Untersuchung nach Hamburg geschafft werden sollte". Das Gericht lehnte den
    Antrag des Verteidigers mit der Begründung ab, daß auch Professor Giese keine Untersuchungsmethoden zur Verfügung stünden, die denen der in der Verhandlung gehörten Gutachter überlegen wären.
    Als das Urteil verkündet wurde, brach unter den Zuschauern spontaner Beifall aus. Einige Besucher forderten sogar die Hinrichtung von Jürgen Bartsch. Die „Süddeutsche Zeitung" schrieb zwei Jahre später, daß das Urteil „ganz gewiß im Sinne der überwiegenden Mehrheit des Volkes war".
    Anders dachten freilich Mediziner, Psychiater, Sexuologen, manche Juristen und Publizisten. Und während Jürgen Bartsch, der im Prozeß seinem Verteidiger untersagt hatte, zu seinen Gunsten zu plädieren, als Häftling Nummer 370 in der Strafvollzugsanstalt Duisburg-Hamborn weiter von seinem abartigen Sexus geplagt wurde und verzweifelte Briefe schrieb, begann draußen der „Fall Jürgen Bartsch" Gegenstand eines heftigen Meinungsstreites zu werden. Die einen meinten, Jürgen Bartsch gehöre ins Zuchthaus, und begründeten das mit der Notwendigkeit, die Gesellschaft vor solchen unverbesserlichen Verbrechern zu bewahren. Sie stützten sich dabei auf die Rechtsprechung in der BRD, die dem Triebtäter noch nie Konzessionen gemacht hätte, sondern stets davon ausgegangen wäre, daß auch der perverse Mensch, sofern geistig normal, grundsätzlich in der Lage ist, sein Triebleben zu kontrollieren, und folglich für seine Tat auch büßen müßte. Die anderen meinten, Bartsch gehöre nicht ins Zuchthaus, sondern in eine Heilanstalt, da er offenbar nicht in der Lage sei, seine Triebe zu steuern. Auch sie beriefen sich auf die geltende Rechtsprechung, namentlich auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom November 1959.
    Von Medizinern wurde die Forderung des Bartsch-Verteidigers nach Anfertigung eines sogenannten Karyogramms, d.h. einer Chromosomen-Analyse, unterstützt, die Aufschluß darüber geben sollte, ob Bartschs Triebhaftigkeit durch eine Chromosomenanomalie hervorgerufen wurde, also genetisch bedingt war. Um jene Zeit machten in der Presse kapitalistischer Länder genetische Forschungsergebnisse aus den USA Schlagzeilen, die unter anderem besagten, daß es Abweichungen, sogenannte Aberrationen, von der normalen Chromosomenkonstellation des Menschen, die sich bei der Frau als XX, beim Mann als XY
    darstellt, geben kann. Bestimmte Aberrationen, z.B. XYY oder XXY, könnten zu schweren, insbesondere auch aggressiven Verhaltensanomalien führen. In der Presse bezeichnete man solche Chromosomenanomalien als „Mörder-Chromosom".
    Bei Bartsch vermuteten der Verteidiger und manche Experten von vornherein dieses Mörder-Chromosom, d. h. eine angeborene Neigung zur Aggressivität, an der er selbst schuldlos sei. Andere Wissenschaftler wiederum wiesen darauf hin, daß es wesentlich , mehr Männer mit Chromosomenanomalien als Mörder auf dieser Welt gäbe. Bei jedem fünftausendsten neugeborenen Jungen wären solche Anomalien festzustellen. Oberstaatsanwalt Klein lehnte denn auch die These vom Mörder-Chromosom ab.
    Im November 1969, als die Entscheidung über den Revisionsantrag der Verteidigung unmittelbar bevorstand, stellte die „Bonner Rundschau" die Frage: Kann eine Hirnoperation den Kirmesmörder Bartsch heilen?, und sie teilte gleichzeitig mit. daß Bartsch bereits sein Einverständnis zu einem „stereotaktischen Eingriff, der ihn von seinem abnormen Sexual- und Aggressionstrieb befreien könnte", erteilt hatte. Wie diese Operation vor sich gehen sollte, beschrieb das Blatt auch. Eine Elektrosonde sollte durch ein Loch in der Schädeldecke ins Gehirn eingeführt werden und dort mit einem Stromstoß das etwa 50 Kubikzentimeter große Sexualzentrum gerinnen lassen. Der Eingriff unterblieb.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher