Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
stehende Heizöl hatte die Kohle verdrängt. Der Kohleabsatz ging rapide zurück. Zechen mußten stillgelegt, Bergleute entlassen werden, die Profitraten der Kohleproduzenten sanken. Als Anreiz für den Export von Kohle und zur Eindämmung der Krisensituation wurde den Exporteuren des „schwarzen Goldes" die übliche Umsatzsteuer erlassen oder rückvergütet.
Und hier stieg Ermisch ins Geschäft ein. Mit Hilfe fingierter Handelsbelege der „Hansa-Export" und weiterer vier Scheinfirmen täuschte er riesige Kohle- und Stahlexporte nach Holland vor. Ohne auch nur ein einziges Brikett über die Grenze transportiert zu haben, kassierte er vom Fiskus bis November 1967 insgesamt 12,7 Millionen DM Umsatzsteuerrückvergütung. Fachleute errechneten später, daß diese Summe einem Umsatz von 250 Millionen DM entsprach, wofür die „Hansa-Export" und ihre vier Schwestern täglich allein 200 Tonnen Stahlblech hätten exportieren müssen. Für Geschäfte dieser Größenordnung aber wären, nach bescheidener Expertenkalkulation, mindestens 150 Angestellte mit dem erforderlichen Inventar an Büros, Telefonen. Fernschreibern, Buchungsmaschinen nötig gewesen.
Ermisch aber beschäftigte nur fünf Komplizen, seine Geliebte eingeschlossen. Hinzu kamen ein teilbeschäftigter Steueranwalt, eine saisonbeschäftigte Steuerberaterin sowie drei bis vier im Staatsdienst stehende Finanzer, die Ermisch für ihre blinde Gutwilligkeit entsprechend honorieren mußte. So unwahrscheinlich das auch klingt: Weder dem Finanzamt Düsseldorf noch dem Finanzamt Essen-Ost, die die Steuerrückvergütungsanträge bearbeiteten und zur Liquidation freigaben, waren die plumpen Täuschungsmanöver aufgefallen.
Bezeichnend ist folgendes Beispiel: Im Mai 1966 stellte die ..Hansa-Export" an das Finanzamt Düsseldorf einen Antrag auf Rückvergütung der Umsatzsteuer für den Export von Steinkohle und Stahlblechen in Höhe von 4 Millionen DM. Die Ware wurde angeblich von der Firma „Glückauf" in Köln bezogen und an die Firma „Van der Berge" in Amsterdam geliefert. Die Rückvergütungssumme betrug 216838,20 DM. Keiner der Steuerprüfer kam auf den Gedanken, im Handelsregister nachzuschlagen, ob es die Lieferfirma „Glückauf" in Köln und den Abnehmer van der Berge in Amsterdam überhaupt gab. Beide Firmen existierten nur in Ermischs phantastischen Bilanzen. Ein einziger Blick ins Handelsregister hätte das aufgedeckt. Mehr noch: Der Sachbearbeiter im Finanzamt sah nicht einmal in der amtseigenen Kartei nach, ob die Antragstellerin, also die „Hansa-Export", tatsächlich Umsatzsteuer bezahlt hatte. Dieser selbstverständliche Prüfungsakt hätte sofort offenbart, daß die Ermisch-Schein-firmen zwar beim Gewerbeamt, nicht aber beim Finanzamt registriert waren, folglich noch nie Steuern abgeführt hatten und daher gar keinen Anspruch auf Steuerrückvergütung haben konnten.
Doch die Finanzer waren nicht nur bequem, sie kannten sich anscheinend auch im eigenen Metier schlecht aus. Nach dem Antrag der „Hansa-Export" war die Lieferung über das Zollamt II am Grenzübergang Dammbruch abgewickelt worden. Dieses Zollamt aber existierte bereits seit zwölf Jahren nicht mehr. Als es noch existierte, waren dort wegen seiner Abgeschiedenheit nur hin und wieder kleinere Gemüsetransporte abgefertigt worden.
Dieses Zollamt war ausgesprochen unrentabel und wurde deswegen geschlossen. Auch im Finanzamt hätte man das wissen müssen, zumal die Zollorgane unmittelbar dem Finanzministerium unterstehen, mithin zur gleichen Behörde gehören wie die Steuerfahndung und das Finanzamt.
Das ging lange Zeit: Ermischs Scheinfirmen stellten Steuerrückvergütungsanträge, der zuständige Sachbearbeiter im Finanzamt fand sie in Ordnung, sein Vorgesetzter zeichnete den Antrag ab, und die geforderten Summen wurden ausgezahlt.
Einmal aber findet selbst ein stockblindes Huhn ein Korn. Im September 1967 stellte die soeben erst gegründete und gewerbeamtlich registrierte Firma „Stahlgroßhandlung Glinga" beim Finanzamt Essen-Ost gleich zwei Umsatzsteuerrückvergütungsanträge auf einmal. Diesmal griff der Steuersachbearbeiter zum Handelsregister und stellte verwundert fest, daß diese Stahlgroßhandlung dort gar nicht verzeichnet war. Weiteres Nachforschen ergab, daß in Düsseldorf auf die gleiche Frau Glinga die Firma „Hansa-Export" eingetragen war. Der Sachbearbeiter überlegte nicht lange und schickte nach dem altbewährten Bürokratenmotto: „Die schönste Arbeit ist
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