Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Genehmigung erteilt werden, einen sogenannten V-Mann, d.h. einen Spitzel, zu benennen, der in einer Mitteilung an die Polizei Franz Lorbach aufs schwerste belastet haben sollte. Eynck. der diese Mitteilung schon im Ermittlungsstadium erhalten hatte, hätte darauf nicht reagiert, sondern die ganze Sache als Phantasterei abgetan. Die Anwälte beantragten, diesen Zuträger als Zeugen vor Gericht zu hören. Und drittens schließlich sollte eine
Patentanmeldung verlesen werden, die Boosts sachliches Interesse an waffentechnischen Problemen beweisen könnte.
Das Gericht lehnte ab, Fachpsychologen hinzuzuziehen, weil der am Prozeß beteiligte Psychiater über ausreichende Fachkenntnisse verfügte, um Lorbach zu beurteilen. Dieser Psychiater hatte Lorbach Glaubwürdigkeit attestiert. Zur beantragten Aussage des Kriminalkommissars Eynck teilte das Gericht lakonisch mit, die Kriminalpolizei hätte die Aussagegenehmigung verweigert. Der dritte Antrag wurde ebenfalls abgelehnt, Boosts waffentechnisches Interesse aber als wahr unterstellt.
Die Verteidigung gab noch nicht auf. In den Schlußplädoyers wiesen die Anwälte darauf hin, daß Boost von der Öffentlichkeit bereits lange vor der Gerichtsverhandlung als „Liebespaarmörder" verurteilt worden war, es folglich unmöglich wäre, ein gerechtes Urteil zu fällen. Außerdem dürften nur bewiesene Tatsachen, nicht aber billige Effekte oder vage Vermutungen zur Verurteilung führen. Tatsache aber wäre, daß in keinem einzigen der erörterten Mordfälle ein sicherer Beweis für Boosts Schuld erbracht werden konnte. Der wahre Liebespaarmörder wäre noch immer nicht entdeckt. Das beweise allein der am 9. Februar 1958 bei Opladen begangene Liebespaarmord. Dieser Mord wäre nicht nur in der Nähe der bisherigen Tatorte begangen worden, sondern wiese auch die gleichen äußeren Tatumstände auf. Boost aber war zu dieser Zeit längst in Haft.
Tatsächlich waren Liebespaarmorde zu jener Zeit keine Seltenheit in der BRD. Sieben Monate nach dem unaufgeklärten Mord bei Opladen, auf den Boosts Verteidiger hingewiesen hatte, wurde in einem Waldstück bei Schleißheim, einem Vorort von München, die Leiche eines 16jährigen Mädchens und die ihres 18jährigen Freundes gefunden. Das Paar war erschossen worden. Der Täter hatte nach dem Mord die Toten beiseite gerückt und die Geschoßhülsen aufgesammelt. Auch in diesem Fall fehlte jede Spur vom Täter.
Am 14. Dezember 1959, nach sechzehn Verhandlungstagen, wurde das Urteil gegen Werner Boost und Franz Lorbach verkündet. Als das Schwurgericht den Saal betrat, herrschte atemlose Stille. Von den überfüllten Zuschauerplätzen war kein Laut zu hören. Werner Boost war zwar bleich, doch gefaßt. Franz Lorbachs Blicke huschten wie gewöhnlich gehetzt und argwöhnisch umher. In die beklemmende Stille hinein gab der Vorsitzende das Urteil bekannt: Werner Boost werde des Mordes an Dr. Serve in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und versuchter Anstiftung zum Mord für schuldig befunden, in den Fällen Behre/Kürmann und Falkenberg/Wassing jedoch mangels Beweises freigesprochen. Es stünde zwar fest, daß Boost in der Nacht, als Behre und Kürmann ermordet wurden, sich im nördlichen Raum Düsseldorfs, also in Tatortnähe, aufgehalten hatte, und es läge auch die Vermutung nahe, daß die Blutspritzer in seinem Gesicht von diesem Mord stammten, doch reiche das zu seiner Überführung nicht aus. Im Falle Falkenberg/Wassing gäbe es sogar noch stärkere Tatindizien, nämlich die Sisalschnur und die Weckringe, die in Boosts Waffenversteck gefunden wurden. „Doch", so sagte Landgerichtsdirektor Dr. Näcke, „die Möglichkeit, daß die Paare von einem oder mehreren anderen Tätern getötet worden sind, kann nicht ausgeschlossen werden."
Boost wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus, zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit und als .gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" auch zur Sicherungsverwahrung verurteilt.
Die Sicherungsverwahrung als Nebenstrafe wurde in der Nazizeit durch das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" vom 24. November 1935 als §42e in das deutsche Strafgesetzbuch eingeführt und im Strafrecht der BRD beibehalten. Nach § 67d ist die Dauer der Sicherungsverwahrung an lange Fristen gebunden. Es liegt im Belieben des Gerichts, wie lange der Verurteilte nach Verbüßung seiner Strafe noch interniert, in „Sicherungsverwahrung", verbleibt. In der
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