Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
ihrer Eifersuchtsversion beharrend, übersahen die Beamten, daß Halbweltdamen zwar häufig ein Opfer, aber nur höchst selten zur Mörderin ihrer Freier werden. Margot Wiechert konterte denn auch in bestem hannoveranischem Halbweltdeutsch.
Die Kripo ließ nicht locker. Sie konzentrierte sich fast aus-
Die Leiche Heinrich Ricks wurde aus dem Mittellandkanal geborgen
schließlich auf die Spur „Wiechert", obwohl insgesamt 955 Aufklärungshinweise zum Mordfall Bick vorlagen, von denen allerdings „nur" 239 als sogenannte Hauptspuren galten. 146 männliche und 63 weibliche Personen waren noch zu überprüfen, doch der Mordkommission hatte es die „blonde Margot" angetan. Wahrscheinlich wäre das noch sehr lange so geblieben, wenn nicht die Hypothese vom Eifersuchts- oder Rachemord am 17. Januar 1957 einen unübersehbaren Riß bekommen hätte.
An diesem Tage wurde im Hambührener Bruch bei Celle, festgefahren in einem Wassergraben, der Opel Record RS-D 536 gefunden. Sein Zustand ließ vermuten, daß er, ähnlich wie Bicks Volkswagen, zum Tatort eines schweren Verbrechens geworden war. Neben verschiedenen Beschädigungen wies auch er zahlreiche Blutflecken und Spuren menschlicher Gehirnsubstanz auf. Die Scheibe neben dem Fahrersitz war zertrümmert. Am Wagenverdeck klebten vier Haare, auf dem Kühler konnte eine 23,5 Zentimeter lange Schuhspur gesichert werden. Im Aschenbecher fand sich ein Zigarettenrest, dem Lippenstift anhaftete.
Aus herumliegenden und im Graben schwimmenden Papieren ließ sich entnehmen, daß der Wagen einem Heinz Engel gehörte. Engel aber war unauffindbar.
Für den Fundort des Opel war nicht wie im Fall Bick die Mordkommission von Hannover, sondern die von Celle zuständig. Doch die beiden Kommissionen vereinbarten eine enge Zusammenarbeit, wobei am wichtigsten die Frage nach dem
Verbleib des Wageneigentümers schien. Heinz Engel, von Beruf Vertreter für Bohrwerkzeuge, hatte am 15. Januar im Raum Hannover mehrere Kunden besucht. Am Abend wurde er noch in einem Cafe am Steintorplatz zu Hannover gesehen, wo er Annäherungsversuche an ein junges Mädchen unternahm, das am Nebentisch saß. Als Engel das Cafe verließ, brach auch das Mädchen auf. Seither fehlte von dem Vertreter jede Spur.
Die Polizei von Celle suchte mit einem großen Aufgebot an Bereitschaftspolizisten und Hunden die Umgebung des Wagenfundortes ab. Vergeblich! Sie setzte eine Belohnung von 5000 DM aus, wovon 2000DM als Finderlohn für Engels Leiche bestimmt waren.
Am 29. Januar entdeckte ein Landarbeiter im Bokemer Holz bei Müllingen Engels Führerschein. Er lag so auffällig an der vielbefahrenen Kreisstraße, daß die Polizei annahm, er sei absichtlich dort deponiert worden, um die Fahndung irrezuleiten.
Die Entfernung zwischen dem Fundort des Opel und dem des Führerscheins betrug etwa 18 Kilometer. Dennoch suchte die Polizei den dortigen Abschnitt des Mittellandkanals ab. Engel blieb verschwunden.
Wochen und Monate vergingen, aber weder in Hannover noch in Celle kam man mit der Aufklärung voran. Die Kriminalpolizei hatte ihre Spitzel mobilisiert und immer wieder in Prostituierten-und Zuhälterkreisen recherchiert, denn nicht nur Bick, auch Engel war häufiger Kunde der Hannoveraner Dirnen.
Ein Zuträger verwies auf einen gewissen Gerhard Popp, genannt ,,Revolver-Ede", und seine Geliebte Inge Marchlowitz. Die Kripo winkte ab. Sie kannte Popp. Nach dem Kriege war der ehemalige Reservelokführer und Heizer Mitglied einer Zugräuberbande gewesen, zu der auch der Vater von Inge Marchlowitz gehörte. Ihr Revier umfaßte die gesamte Umgebung des Verladebahnhofs Letter bei Hannover, wo 1947/48 fast täglich Versorgungszüge der britischen und amerikanischen Besatzungstruppen durchfuhren. Raubtaten dieser Art erforderten ein beträchtliches Maß an Mut und Geschicklichkeit, galt es doch, auf fahrende Züge zu springen und rechtzeitig wieder abzuspringen, rasch Plomben zu durchschneiden und die Waren wohlüberlegt an vorher vereinbarten Stellen aus dem Zug zu werfen. Und das alles gewissermaßen unter den Augen der bewaffneten Zugbegleitmannschaften. Der damals knapp 27jährige Popp bewältigte diesen gefährlichen Job so gut, daß er schnell vom geduldeten Benjamin zum befehlsgewaltigen Boß der Bande avancierte. Der Konkurrenzkampf unter Zugräubern war hart. Außer der Popp-Bande machte ein gutes halbes Dutzend weiterer Räuberbanden die Gegend um Letter unsicher. Nach amtlichen Feststellungen kam es 1948 allein im
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