Der Tod kommt in schwarz-lila
und stellte die Schuhe ordentlich in die Reihe.
»Die Kinder, ich hab es ihnen schon tausend Mal gesagt«, murmelte sie und blickte Trevisan entschuldigend an. Sie wirkte müde und abgespannt, als sie die Kapuze vom Kopf streifte. Sie war ungeschminkt und etwas blass, aber sie war eine schöne Frau. Ihre ärmliche Kleidung war sauber.
»Entschuldigen Sie, ich komme von der Arbeit. Ich hoffe, dass meine Kinder nicht allzu viel Unordnung gemacht haben«, sagte sie, ehe sie den Schlüssel ins Schloss steckte.
Der Flur war sauber und ordentlich. Ein Läufer lag auf dem Boden. Die Garderobe und die beiden Sideboards waren nicht mehr ganz neu, aber sie waren staubfrei und glänzten matt.
Maria Linnemann bat Trevisan ins Wohnzimmer und bot ihm Platz auf der Couch an. Von den Kindern war nichts zu hören. Sie entschuldigte sich für einen Augenblick und ging in die Küche.
Trevisan nutzte die Gelegenheit und schaute sich im Wohnzimmer um. Auch hier war alles sauber und aufgeräumt. Das Wohnzimmer war in einem matten Gelb gestrichen, der Teppichboden passte zu der Farbe der Wand. Ein Vitrinenschrank stand an der Längsseite. Kleine Figuren waren darin aufgereiht. Auf dem Schrank befanden sich farblich abgestimmte Schalen und Vasen. Frau Linnemann hatte offenbar ein Gefühl für Farben und Details.
An der Wand hingen drei Bilder. Eine Fotografie zeigte sie selbst im Hochzeitskleid neben einem großen, blonden Mann. Das andere Bild, ebenfalls ein Hochzeitsbild, jedoch eine ältere Aufnahme, zeigte eine Braut, die Maria Linnemann wie aus dem Gesicht geschnitten war. Es konnte nur das Bild ihrer Mutter sein. Der Mann daneben wirkte grobschlächtig und ungepflegt.
Das dritte Bild erregte Trevisans Aufmerksamkeit. Es war eine Aufnahme von Ole Hansen. Er trug eine Schiffermütze und lächelte freundlich.
Als Maria Linnemann das Zimmer betrat und sich in den Sessel setzte, wandte sich Trevisan ihr zu.
»Was hat er wieder angestellt?«, fragte sie und in ihrer Stimme schwang eine Spur von Resignation.
»Wen meinen Sie?«
»Erhard natürlich, wen denn sonst?«
»Das Bild dort drüben«, Trevisan zeigte auf Hansen. »Wer ist das?«
»Das ist mein Vater«, antwortete sie.
In Trevisan zog sich alles zusammen. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in der Magengegend aus. Ole Hansen hatte eine Tochter? Wie hatte er das nur übersehen können? Er selbst hatte doch den Auszug des Standesamtes gelesen. Von einer Tochter war nie die Rede. Trevisans Mund wurde trocken. »Ich wusste nicht, dass er eine Tochter hat …«, krächzte er heiser.
Maria Linnemann nickte. »Das ist eine lange Geschichte«, antwortete sie. »Ist etwas mit ihm passiert?« Sorgenvoll hielt sie ihren Blick auf Trevisan gerichtet.
Trevisan wurde es heiß. Er räusperte sich. »Es tut mir leid, Ole Hansen ist tot«, sagte er schließlich mit brüchiger Stimme.
Sie senkte ihren Kopf und schlug die Hände vor das Gesicht. Als sie wieder aufblickte, liefen dicke Tränen über ihre Wangen. »Was … was ist geschehen?«
Trevisan überlegte. Was sollte er ihr sagen?
Er riss sich zusammen.
»Er wurde ermordet«, antwortete er.
»Ermordet?«, stammelte sie fassungslos. Mit den Händen wischte sie ihre Tränen fort. »Wer … wer hat das getan? Er war so gut zu mir.
Er war ein guter Mensch. Er hat allen nur geholfen. Wer bringt so jemanden um?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete Trevisan leise.
Bedrücktes Schweigen herrschte im Raum.
Nachdem sie sich halbwegs gefasst hatte, erzählte sie ihm, dass sich Hansen und ihre Mutter im Sommer 1967 kennen gelernt hatten. Hansen war verheiratet, aber er war unglücklich. Er verliebte sich in ihre Mutter und schließlich war Maria das Resultat dieser Liebe. Da ihre Mutter wusste, dass sich Hansen nie von seiner Frau hätte trennen können, war sie gegangen, ohne ihm etwas von dem Kind zu erzählen.
»Lange Jahre habe ich nicht gewusst, wer mein Vater ist«, fuhr Maria Linnemann fort. »Meine Mutter hat es mir nie erzählt. Schließlich hat meine Mutter geheiratet, doch mein Stiefvater hat sich nie richtig um die Familie gekümmert. 1987 verunglückten beide tödlich bei einem Autounfall.«
Trevisan hörte interessiert zu. Er erfuhr, dass sich Ole Hansen vor vier Jahren, nach dem Tod seiner Frau, bei Maria gemeldet hatte. Er hielt einen Brief ihrer Mutter in den Händen. Darin hatte sie Hansen von der gemeinsamen Tochter berichtet. Maria Linnemann lebte zu diesem Zeitpunkt in Scheidung. Sie hatte vier Kinder und
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