Der Tod kommt in schwarz-lila
wusste nicht, wie sie den Monat durchstehen sollte. Die Wohnung war ihr vom Sozialamt zugewiesen worden. Die Sozialhilfe reichte kaum zum Leben, so musste sie nebenher putzen gehen. Immer wieder kürzte das Sozialamt ihre Bezüge, forderte sie auf, ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen, schickte Formulare über Formulare, und kamen diese nicht fristgerecht zurück, wurden die Zahlungen ganz eingestellt. Hätte Ole Hansen sie in den letzten Jahren nicht unterstützt, dann wären sie alle schon längst in der Gosse gelandet.
Es war eine traurige Geschichte. Trevisan mochte gar nicht daran denken, dass diese monatlichen Zuwendungen von nun an ausbleiben würden.
»In der letzten Zeit macht mir mein Ex-Mann zu schaffen. Er hat erfahren, wo ich wohne. Mittlerweile ist er auf die schiefe Bahn geraten. Er hat keine Wohnung, deshalb gibt er des Öfteren meine Adresse an, wenn er mal wieder beim Klauen erwischt wird. Aus diesem Grund dachte ich …«
»Hatte Ihr Vater Feinde? Hat er Ihnen etwas erzählt?«, unterbrach Trevisan. Er wollte nicht unhöflich sein, aber es war bereits kurz nach sieben und ein langer Weg lag noch vor ihm.
Sie schüttelte den Kopf. »Er besuchte mich mindestens einmal im Monat. Manchmal auch öfter, aber über so etwas haben wir nicht gesprochen.«
»Sie müssen mir die Wahrheit sagen, sonst werden wir seinen Mörder nie erwischen«, mahnte Trevisan.
»Ich weiß wirklich nicht viel über sein Leben«, antwortete sie.
»Hat er jemals darüber gesprochen, ob ihn jemand bedroht, ob er vor irgendjemandem Angst hat oder ob ihm irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist? Eine Veränderung in seinem Umfeld? Auch die kleinste Kleinigkeit kann wichtig sein.«
»Mir fällt etwas ein, aber ich weiß nicht, ob es wichtig ist. Er kam Mitte April zum letzten Mal. Er hat davon gesprochen, dass er einen guten Fang gemacht hätte und bald seine Schulden abbezahlt habe. Er wollte mich danach zu sich holen. Er lebte alleine, ich meine ohne Frau. Ich sollte mich dann um den Haushalt kümmern. Als er ging, erzählte er mir, dass zwei Tage zuvor jemand in sein Haus eingebrochen hatte. Es war aber nichts Wertvolles gestohlen worden. Nur ein Bild von ihm. Das gleiche, wie es dort an der Wand hängt. Ich riet ihm, zur Polizei zu gehen, doch er wiegelte ab.›Die halten mich doch für verrückt, wenn ich denen erzähle, dass bei mir jemand eingebrochen ist, um ein Bild von mir zu stehlen‹, sagte er. Ich weiß nicht, ob er den Einbruch angezeigt hat, und jetzt ist er tot.« Erneut liefen ihr die Tränen über die Wangen.
Trevisan überlegte. Die Sache mit dem Einbruch war mysteriös. Er würde sofort überprüfen, ob Hansen Anzeige erstattet hatte.
Trevisan erhob sich und trat an ihre Seite. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und versuchte sie zu trösten. Doch er wusste selbst, dass die Worte eines Außenstehenden den Schmerz nicht lindern konnten. Der Kummer ließ sich nicht zerreden.
Eine halbe Stunde später verabschiedete sich Trevisan. Er versprach sich bei ihr zu melden, sobald sie den Mörder überführt hätten.
Auf dem Weg zum Wagen dachte er über Maria Linnemanns Angaben nach. Er wusste nicht, ob er etwas Wesentliches erfahren hatte, doch zumindest war ihm die Persönlichkeit Hansens etwas näher gerückt.
*
Der ganze Sonntag war verregnet. Monika Sander hatte den Nachmittag mit ihrem Mann und den Kindern verbracht und war gegen sechs in die Polizeiinspektion gefahren. Tina Harloff saß am Computer und blickte überrascht auf.
»Na, was gefunden?«, fragte Monika.
»Ich wusste gar nicht, dass es so viele Polizeidienststellen gibt«, entgegnete Tina und griff nach ihrer Jacke. Monika Sander übernahm.
Sie saß seit einer Stunde am Computer, als das Telefon klingelte. Dietmar Petermann rief von Wangerooge aus an. »Hallo, Monika, ist Martin in der Nähe?«
»Ich habe ihn heute den ganzen Tag über noch nicht zu Gesicht bekommen«, antwortete sie.
»Hier stürmt es und regnet wie aus Kübeln«, berichtete Petermann. »Alex und ich haben alles abgegrast. Wir haben mit unzähligen Leuten geredet. Nichts, alles umsonst. Keiner kennt Gabler, niemand weiß etwas über die Männer der Helge. Wir waren sogar noch mal am Tatort. Das Einzige, das wir in dieser trostlosen Gegend gefunden haben, ist eine Menge Sand und ein altes verwittertes Holzkreuz. Sobald es das Wetter zulässt und wir nicht in einer Springflut ersaufen, kommen wir zurück. Das hier bringt doch nichts.«
»Tut, was Ihr für
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