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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefne
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Trevisan das Haus.
    An Hansens Stammlokal stoppte er den Wagen. Es war kurz vor Mittag. Er betrat die Gaststube und suchte sich einen Platz am Fenster. Das Lokal war menschenleer. Es dauerte eine Weile, bis der Wirt erschien.
    »Moin«, krächzte er. »Sie haben sich wohl verirrt?«
    Trevisan lächelte und bestellte ein Bier. Sein Magen knurrte. »Gibt es bei Ihnen etwas zu essen?«
    »Fisch und Bratkartoffeln«, erwiderte der Wirt. Trevisan nickte. Der Wirt verschwand in der Tür hinter dem Tresen. Nach wenigen Minuten servierte er das Essen.
    »Sind Sie ein Feriengast?«, fragte er, nachdem er den Teller auf den Tisch gestellt hatte. Trevisan schüttelte den Kopf und präsentierte seine Dienstmarke.
    »Aha, ich wunderte mich schon. Fremde verirren sich nur selten hierher. Sie kommen wegen Hansen?«
    »Ich habe noch ein paar Fragen. Ihr Name ist …«
    »Nennen Sie mich Fietje, das tun hier alle«, fiel ihm der Wirt ins Wort. Dann zog er sich einen Stuhl heran.
    »Also gut, Fietje. Willemsen soll bei Ihnen Stammgast gewesen sein. War er jemals in Begleitung?«
    »Nach dem Tod von Hansens Frau waren sie fast jeden Tag bei mir. Sie aßen hier auch zu Mittag, sofern sie nicht draußen waren. Er war immer nur mit Hansen unterwegs. Wir nannten sie Vater und Sohn.«
    »Was war Willemsen für ein Mensch?«, fragte Trevisan.
    »Willemsen brauchte nicht viel«, antwortete Fietje. »Er war zufrieden, wenn sein Bier vor ihm stand und man ihm seine Ruhe ließ.«
    »Hat er sich eigentlich für Politik interessiert?«
    Fietje lachte. »Politik? Ich glaube, Willemsen war alles egal. Ich habe mich oft gefragt, ob ihn überhaupt etwas aus der Ruhe bringen kann.«
    »Und Hansen?«
    »Der war nicht anders. Natürlich war er sauer auf die Regierung, weil sie ständig die Fangquoten der Fabrikschiffe erhöhen. Aber das sind wir alle.«
    »Hatte Willemsen einen Freund im Dorf?«
    »Er saß am Stammtisch, aber mit ihm war nicht zu reden. Mehr als drei Worte sagte er selten.«
    Trevisan fasste in seine Jacke und holte das zusammengefaltete Flugblatt hervor. Er zeigte es dem Wirt. »Haben Sie das schon mal gesehen?«
    Fietje griff danach und überflog die Zeilen. »Da kam vor vier Wochen so ein Spinner in mein Lokal. Der hat die Dinger da verteilt. Ich habe ihn eigenhändig rausgeworfen. Ist das wichtig?«
    Trevisan schüttelte den Kopf.
    »Nein, vergessen Sie es. Es ist vollkommen unwichtig«, erwiderte er.
    *
    Horst Grevenstedt war früh aufgestanden. Hastig verschlang er sein Frühstück. Dann fuhr er hinaus nach Wangersiel. Er hatte alles besorgt. Der Wagen war vollgeladen. Nach einem kurzen Besuch bei Frau Trewes parkte er seinen Wagen direkt vor dem Schuppen. Quietschend schwang das Tor auf. Er suchte nach dem Maschinenöl. Es gab viel zu tun.
    In der letzten Zeit hatte er öfter darüber nachgedacht, das Boot und den Schuppen zu verkaufen. Doch jedes Mal erinnerte er sich an die Worte, die sein Vater kurz vor dessen Tod zu ihm gesagt hatte. »Junge, das Bootshaus und das Boot ist alles, was ich dir hinterlassen kann, wenn ich sterbe. Denke stets daran, dass die See uns ernährt.«
    Dies waren mehr als nur Worte. Dies war ein Vermächtnis. Darin lag der Sinn eines ganzen Lebens. Doch auch eine Verpflichtung ergab sich daraus. Die Verpflichtung eines Sohnes gegenüber seinem Vater. Horst Grevenstedt würde die Worte nie vergessen. Noch auf dem Sterbebett hatte sein Vater sie wiederholt.
    Nun war er der Fischer von Horumersiel.
    *
    Er ließ das Schlauchboot zu Wasser und beeilte sich mit den Vorbereitungen. Heute war ein Feiertag. Ein Gedenktag. Er trug wieder den Anzug. Es waren die Farben des Todes. Schwarz und Lila. Nur deshalb hatte er den Anzug ausgesucht. Er blickte in den trüben Himmel.
    Zum Glück regnete es nicht.
    Der Bootsschuppen lag über einen Kilometer entfernt. Seinen Wagen hatte er hinter einer Düne geparkt. Er hatte keine Angst. Bevor jemand etwas merken würde, wäre er längst wieder verschwunden. Er fürchtete nichts und niemanden, denn er wusste genau, dass alle bei ihm waren und ihn beschützten. Ihn umgab eine Aura der Unantastbarkeit. Er prüfte seine Ausrüstung. Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann stieg er in das Schlauchboot und nahm die Ruder zur Hand. In der Nacht war er in Gedanken jeden einzelnen Schritt seines Planes durchgegangen. Er wusste, dass seine Beute heute hierher kommen würde. Wenn man die Beute richtig studierte, lernte wie sie zu denken, wie sie zu fühlen und zu

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