Der Tod kommt in schwarz-lila
hatte er mit seiner pinkfarbenen Krawatte gespielt, hatte sie aufgerollt und dann wieder fallen lassen. Auf dem mit weißen Linien durchzogenen und graublau gemusterten Hemd wirkte sie wie der Körper eines Schmetterlings, der sich in einem Spinnennetz verfangen hatte. »Aber wir haben denen doch schon genügend Fragen gestellt«, warf er empört ein.
»Vielleicht waren es die falschen Fragen«, entgegnete Trevisan.
*
Das Wochenende stand vor der Tür. Der Verkehr hatte zugenommen und die Menschen fuhren aggressiver als sonst. Trevisan war froh, als das Dorf hinter ihm lag und er den Wagen vor dem kleinen Anwesen abstellen konnte. Er stieg aus und ging auf das Häuschen auf der anderen Straßenseite zu. Trevisan schaute sich um. Die Zeit schien hier stehen geblieben zu sein. Die beiden Bäume im Vorgarten wiegten sich leicht im Wind. Das Bild hatte etwas Beschauliches, etwas Friedvolles an sich. Durch nichts ließ sich erahnen, welche Tragödie die Menschen in diesem Haus getroffen hatte.
Trevisan entfernte das Polizeisiegel und öffnete die Tür. Ein bedrückendes Gefühl beschlich ihn, als er den Flur betrat. Hier war alles unverändert. Die Luft roch noch immer modrig und abgestanden. Er ging auf die Treppe zu. Sie hatten alles durchsucht. Jeder Gegenstand, dem sie eine Bedeutung beigemessen hatten, war sichergestellt und mitgenommen worden.
Vor der Treppe blieb er stehen. Er blickte sich um. Eine kleine Holztür neben dem Treppenaufgang fiel ihm ins Auge. Der Schlüssel steckte. Trevisan drückte dagegen. Knarrend schwang die Tür auf. Es war dunkel. Fauliger Gestank stieg in seine Nase. Eine steinerne Treppe führte hinunter in den Keller. Er tastete nach dem Lichtschalter. Eine einfache Glühbirne erhellte den dunklen Gang. Das bedrückende Gefühl nahm zu.
Der Keller war aufgeräumt. Ein einziger großer, niedriger Raum. Ein alter Kleiderschrank stand in der Ecke. Trevisan wunderte sich, wie Hansen dieses Ungetüm durch das enge Treppenhaus hier hinunter gebracht hatte. Er öffnete eine der fünf Türen. Frauenkleider auf Bügeln hingen fein säuberlich aufgereiht auf der Stange. Er widmete sich der nächsten Schranktür. Auch darin nur abgetragene Kleidungsstücke. Tür um Tür öffnete er. Hansen musste die gesamte Kleidung seiner Frau aufbewahrt haben.
Hinter der letzten Tür verbargen sich eine Angelausrüstung, alte Schuhe, Zeitschriften und Magazine, Geschirr und ein paar Bücher. Mehr fand er nicht. Er griff nach einem Buch. Es war eine Enzyklopädie der Krankheiten. Ein Lesezeichen war eingefügt. Er schlug das Buch auf der entsprechenden Seite auf und las. Es war eine Abhandlung über Knochenkrebs. Trevisan überflog ein paar Zeilen, dann schloss er das Buch und stellte es zurück. In der anderen Ecke des Kellers stand eine alte, verstaubte Kiste. Sie war mit einem Bügelschloss gesichert. Trevisan rüttelte vergeblich daran. Er ging zurück zum Schrank und holte ein Halstuch hervor. Dann wandte er sich wieder der Kiste zu. Er schlang das Halstuch um den Bügel, die Enden des Tuches wickelte er um seine Hände. Nach einem kräftigen Ruck sprang das Bügelschloss auf. Er öffnete die Kiste. Sein Blick fiel auf eine alte Wehrmachtsuniformjacke. Darunter lagen ein Stahlhelm, eine Uniformhose und ein paar Stiefel. Trevisan räumte die Kiste aus. Er staunte nicht schlecht, als ein verrosteter Karabiner auftauchte. Er durchsuchte die Taschen der Kleidungsstücke, doch sie waren leer.
Trevisan schloss die Kiste.
Hansen war bei Kriegsende nicht älter als zehn Jahre gewesen. Willemsen und Mijboer waren noch nicht geboren. Die Uniform musste jemand anderem gehören. Vielleicht Hansens Vater.
Trevisan ging wieder nach oben und klopfte sich den Staub aus seiner Jacke.
Sein Weg führte ihn in Willemsens Zimmer im oberen Stock. Der Raum war kalt und trist. Gedankenverloren blickte sich Trevisan um.
Welches Leben hatte Willemsen geführt? Welche Träume hatte er geträumt? War da nicht mehr als die Arbeit und die Monotonie eines Außenseiters? Schon bei der ersten Durchsuchung war ihm aufgefallen, dass es in Willemsens Zimmer kein einziges Bild gab. Keine Fotografie der Mutter, des Bruders oder irgendeines Menschen, der ihm etwas bedeutete. Wie stark muss jemand sein, der ein solches Leben erträgt? War Hansen seine einzige Bezugsperson gewesen? Langsam wurde ihm klar, was Willemsen für ein Mensch gewesen sein musste. In diesem Zimmer hatte nie jemand wirklich gelebt.
Eine Stunde später verließ
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