Der Tod kommt in schwarz-lila
es in einen Glasrahmen, dann platzierte er es auf der vierten Stufe des Altars. Er entzündete eine Kerze und schloss die Augen. Im Geiste rief er ihre Namen. Die Hände faltete er zum Gebet. Es dauerte nicht lange, bis das blaue Gesicht erschien und ihm freundlich zulächelte.
Seine Worte gingen in ein gleichförmiges Gemurmel über. Immer wieder betete er die Litanei, doch der Vater erschien ihm nicht. Warum wollte er nicht kommen? Warum bestrafte er ihn wieder?
Eine Träne lief über seine Wange. Er hatte ihm doch das Opfer dargebracht. Was wollte er noch? War er noch immer böse auf ihn?
»Träne um Träne, Blut für Blut«, sagte er mitten in die Stille.
Die Dunkelheit zerbrach wie ein Spiegel in tausend Stücke. Ein Grollen kündete von der bevorstehenden Ankunft. Die Maske schälte sich aus der Finsternis der Tiefe und kam über ihn mit aller Macht.
Doch die Maske hatte ihren Schrecken verloren. Sie war nicht mehr verzerrt und unwirklich. Sie strahlte Zuversicht und Frieden aus. Eine Art Frieden, nach der er sich so lange gesehnt hatte.
»Vater, ich danke dir«, sagte er, dann öffnete er seine Augen.
24
Als Trevisan kurz nach acht das Gebäude betrat, wurde er bereits von Anke Schulte-Westerbeck erwartet. Sie kam ihm auf dem Flur entgegen. Der Mord an Grevenstedt hatte Aufsehen erregt.
»Oberstaatsanwalt Brenner hat für heute elf Uhr eine Pressekonferenz anberaumt. Er will, dass Sie als Leiter der Ermittlungen daran teilnehmen.«
Trevisan blickte die Polizeichefin konsterniert an. »Eine Pressekonferenz? Und was soll ich dabei?«
»Sie werden neben dem Staatsanwalt sitzen und den Pressevertretern höflich zulächeln.«
»Es ist noch viel zu früh dafür, mit unseren Ermittlungsergebnissen …«
»Herr Trevisan«, fiel ihm Anke Schulte-Westerbeck ins Wort. »Bei einer Mordserie dieses Ausmaßes stehen wir nun mal im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Es ist auch ein Teil unserer Tätigkeit, so etwas wie Zuversicht an die Menschen weiterzugeben.«
»Ich sehe derzeit keinen Sinn darin. Im Gegenteil, wir geben vielleicht sogar ein paar Ansatzpunkte aus der Hand, wenn wir zu viel erzählen.«
»Oberstaatsanwalt Brenner wird den Journalisten berichten, dass wir einige viel versprechende Spuren verfolgen, aber derzeit noch nichts darüber sagen können, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Frau Martinson ist ebenfalls anwesend.«
»Also bin ich für die Zuversicht zuständig?«
»Wenn Sie so wollen!«
»Volkstheater, mehr nicht?«
Anke Schulte-Westerbeck nickte. »Es ist unsere Pflicht. Seien Sie bitte pünktlich!«
Ohne auf Antwort zu warten, ließ sie Trevisan alleine im Flur zurück. Er ärgerte sich. Schließlich hatte er sich für diesen Tag viel vorgenommen. Nun kam sein gesamter Zeitplan durcheinander. Er klopfte an Monika Sanders Bürotür, doch im Raum blieb es stumm. Auch die anderen waren alle unterwegs. Als er aus dem verwaisten Konferenzzimmer in den Gang hinaustrat, kam ihm Margot Martinson entgegen. Sie hielt ein Bündel Akten unter ihrem Arm.
»Guten Morgen, Herr Trevisan. Haben Sie schon von der Pressekonferenz gehört?«
Trevisan nickte stumm.
»Ihrem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass Sie nicht gerade begeistert sind.«
»Verlorene Zeit. Das hält uns nur von unserer eigentlichen Arbeit ab«, bemerkte Trevisan ungehalten.
»Wir sollten uns um zehn Uhr im Besprechungszimmer treffen. Wir müssen abklären, welche Informationen wir herausgeben und welche nicht«, sagte die Profilerin. »Also, wir sehen uns dann.«
Auf dem Weg zu seinem Büro schaute er im Geschäftszimmer vorbei. Dort erfuhr er von der Sekretärin, dass Monika und Alex nach Minsen und Till mit Tina nach Emden gefahren waren und erst am Abend wieder zurück sein würden.
Außerdem hatte sich Dietmar Petermann krank gemeldet. Ihn plagte eine üble Sommergrippe. Trevisan ging in sein Büro und wählte Kleinschmidts Nummer.
»Ich habe keine Zeit, ich muss ins Labor«, bekam er sofort zur Antwort.
»Habt ihr schon was?«
»Wir arbeiten daran, hexen kann ich nicht«, vermeldete Kleinschmidt genervt.
Trevisan warf den Hörer auf die Gabel. Ein weiterer Anruf in der Pathologie erbrachte ebenfalls keine Neuigkeiten. Trevisan war ungeduldig. Der Zeiger der Uhr wanderte unaufhaltsam auf neun Uhr zu. Noch hatte er nichts gearbeitet. So konnte man keinen Mörder fangen. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und schaute aus dem Fenster. Es regnete. Sein Blick folgte den Regentropfen, die an dem Fensterglas
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