Der Tod kommt in schwarz-lila
all dies hatte den Mörder nicht abgehalten. Er war mitten in diese Idylle eingebrochen und hatte gnadenlos zugeschlagen. Hatte der Mörder willkürlich seinen Hunger nach dem Tod eines Menschen gestillt oder war Horst Grevenstedt gerade wegen der offenkundigen Idylle, in der er lebte, ins Visier geraten?
»Träumen Sie?«
Trevisan wurde aus seinen Gedanken gerissen. Er schüttelte den Kopf, stieg aus und blickte sich um. Die blauen Fenstereinfassungen und Rollladenkästen setzten sich von der weiß getünchten Fassade ab. Der Rasen vor dem Haus war gepflegt, die Garagenauffahrt sauber. Trevisan betrat das Grundstück und klingelte. Wie in der Mordnacht öffnete Eva Grevenstedts Vater die Tür.
»Sie sitzt im Wohnzimmer. Machen Sie es bitte kurz«, sagte er barsch und wies Trevisan und Martinson den Weg.
Eva Grevenstedt lag auf der Couch. Ihr Gesicht war bleich und ihre Augen noch immer gerötet. Leid und Schmerz hatten ihre Züge gezeichnet. Als sie sich erheben wollte, taumelte sie.
»Bleiben Sie ruhig liegen«, sagte Trevisan.
»Sie müssen entschuldigen, mir geht es nicht gut«, antwortete sie mit brüchiger Stimme.
Trevisan nickte. »Das ist Frau Martinson, sie ist Psychologin«, stellte er seine Begleiterin vor.
Frau Grevenstedt blickte ihr ins Gesicht, dann wandte sie sich wieder an Trevisan, der noch immer vor ihr stand. »Wissen Sie schon, wer es getan hat?«
Trevisan schüttelte den Kopf. »Ich habe noch eine Reihe von Fragen. Fühlen Sie sich stark genug …?«
»Fragen Sie ruhig«, fiel ihm Eva Grevenstedt ins Wort und bot ihnen Platz an.
Trevisan setzte sich in den Sessel. »Ist Ihnen inzwischen eingefallen, woher Sie den Namen Willemsen kennen?« Trevisan hatte den Eindruck, dass Frau Grevenstedt erleichtert über sein Erscheinen war. Vielleicht trugen seine Fragen dazu bei, sie für den Augenblick aus ihrem Kummer herauszureißen.
Eva Grevenstedt richtete sich auf. »Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Ich glaube mich zu erinnern, dass ein früherer Arbeitskollege meines Mannes Willemsen hieß. Er hatte Probleme in der Firma und wurde entlassen. Mein Mann war lange Zeit für die Gewerkschaft tätig. Es muss in diesem Zusammenhang gewesen sein. Aber es ist zwei, drei Jahre her.«
Trevisan hatte seinen Notizblock gezückt. »Hat Ihr Mann oft über Probleme im Betrieb geredet?«
»Wir führten eine gute Ehe«, sagte Eva Grevenstedt bestimmt. »Wir sprachen miteinander über alles.«
»Hatte Ihr Mann Feinde? Hatte er mit jemandem Streit?«
Eva Grevenstedt versuchte ein Lächeln, doch es misslang. »Sie haben ihn nicht gekannt, sonst würden Sie solche Fragen nie stellen. Er war bei seinen Freunden und Kollegen stets beliebt. Streit hatte er mit niemandem. Man konnte mit ihm keinen Streit bekommen.«
Nach und nach vervollständigte sich das Bild von Horst Grevenstedt, das dem Hansens ähnelte. Grevenstedt verbrachte viel Zeit im Kreise seiner Familie und bezog seine Frau und die Kinder stets in sein Leben ein. In der Fabrik war er beliebt. Einziges Hobby war die Fotografie. Eva Grevenstedt zeigte Trevisan die Alben ihres Mannes. Das Meer und die Natur waren häufige Motive, doch auf den meisten Fotos waren seine Frau und die Kinder abgelichtet. Früher, so erzählte Frau Grevenstedt, sei er an Wochenenden mit dem Boot noch zum Fischen hinausgefahren, doch schon seit einigen Jahren hatte er die Fischerei aufgegeben. Dennoch hatte er es nie fertig gebracht, den Schuppen und das Boot zu verkaufen. Sie waren die einzige Hinterlassenschaft seines Vaters.
Nach annähernd zwei Stunden fielen Trevisan keine Fragen mehr ein. Das Bild, das Frau Grevenstedt von ihrem Mann gezeichnet hatte, war so rund und schlüssig, dass die Suche nach einem Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen nahezu unmöglich erschien. Grevenstedt und Hansen, beide waren offenbar gute Menschen gewesen. Worin also lag das Motiv dieser bestialischen Morde?
Trevisan bedankte sich bei der Frau. Bevor er sich verabschiedete, fiel ihm noch eine wichtige Frage ein. »Sind Sie vor drei Wochen mit Ihrem Mann ausgegangen?«
Frau Grevenstedt blickte Trevisan ungläubig an. Sie verstand den Sinn der Frage nicht. »Wir waren oft miteinander aus«, antwortete sie verdutzt.
»Es ist wichtig. Waren sie vor etwa drei Wochen in Wittmund im Restaurant Liekedeeler zu Gast?«
Eva Grevenstedt überlegte. »Horst hatte an dem Tag frei. Wir sind nach Wilhelmshaven zum Einkaufen gefahren. Auf der Rückfahrt fuhren wir nach Wittmund. Wir
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