Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
wie es in unseren Herzen aussieht, und sind bereit zu warten.«
Es gab also noch ein anderes Geheimnis in der Familie. Elizabeth glaubte zu wissen, warum Henry Alveston Georgiana bisher keinen Antrag gemacht oder auch nur seine Absichten erklärt hatte. Es hätte so ausgesehen, als wollte er den etwaigen Beistand, den er Darcy leisten konnte, ausnutzen, und beide, Alveston wie auch Georgiana, waren feinfühlig genug, um zu wissen, dass das große Glück einer gelingenden Liebe nicht unter dem Schatten des Galgens gefeiert werden konnte. Es blieb Elizabeth nur noch, Georgiana zu küssen, ihr leise zu sagen, wie sympathisch sie Mr. Alveston fand, und ihnen beiden alles Gute zu wünschen.
Allmählich war es an der Zeit, sich anzukleiden und den Tag zu beginnen. Dass noch so viel getan werden musste, bevor um neun Uhr Sir Selwyk Hardcastle eintraf, lastete schwer auf Elizabeths Seele. Zunächst galt es, den geladenen Gästen die Briefe zuzustellen, in denen – selbstredend ohne die Erwähnung von Einzelheiten – erklärt wurde, warum der Ball abgesagt war. Georgiana hatte ihr mitgeteilt, sie habe sich das Frühstück zwar in ihr Zimmer bestellt, werde aber auch in den Frühstücksraum kommen und mit den anderen Kaffee trinken. Außerdem wolle sie gern mithelfen. Lydia hatte man das Frühstück ans Bett gebracht. Jane leistete ihr Gesellschaft, und Bingley, der es bestimmt kaum erwarten konnte, wieder bei seiner Frau zu sein, würde sich zu ihnen gesellen, sobald die beiden Damen angekleidet waren und man das Zimmer aufgeräumt hatte.
Als Elizabeth angezogen und Belton zu Jane gegangen war, um zu fragen, ob sie Hilfe brauche, machte sich Elizabeth auf die Suche nach Darcy und sah gemeinsam mit ihm bei den Kindern vorbei. Für gewöhnlich absolvierten sie diesen täglichen Besuch nach dem Frühstück, doch heute waren beide Eltern von der fast abergläubischen Angst erfüllt, das Böse, das in Pemberley Einzug gehalten hatte, könnte bis in das Zimmer der Kinder vordringen, und wollten sich selbst davon überzeugen, dass alles in Ordnung war. Und wirklich hatte sich nichts in dieser sicheren kleinen Welt verändert. Die Knaben freuten sich darüber, ihre Eltern so unerwartet früh zu sehen. Nachdem sie einander umarmt hatten, zog Mrs. Donovan Elizabeth zur Seite und sagte leise: »Mrs. Reynolds war so gut, mich schon bei Tagesanbruch aufzusuchen und mir von Captain Dennys Tod zu berichten. Wir sind alle zutiefst entsetzt, aber Sie können darauf vertrauen, dass Master Fitzwilliam nichts davon erfährt, bis Mr. Darcy mit ihm redet und ihm das Nötigste erzählt. Seien Sie unbesorgt, Madam – kein einziges von den Hausmädchen wird irgendwelchen Tratsch ins Kinderzimmer tragen.«
Nachdem sie den Raum verlassen hatten, brachte Darcy zum Ausdruck, wie dankbar er Elizabeth dafür sei und wie sehr es ihn erleichtere, dass sie Georgiana die Nachricht überbracht und seine Schwester darauf nicht mit mehr als dem natürlichen Schmerz reagiert habe. Elizabeth spürte jedoch, dass seine alten Zweifel und Sorgen zurückgekehrt waren und es ihn glücklicher gemacht hätte, wenn es Georgiana erspart geblieben wäre, durch die Nachricht an die Vergangenheit erinnert zu werden.
Kurz vor acht betraten Elizabeth und Darcy den Frühstücksraum, in dem sich als einziger Gast Henry Alveston aufhielt. Sie tranken zwar viel Kaffee, ließen jedoch das übliche aus Eiern, geräuchertem Speck, Würsten und Nierchen bestehende Frühstück, das unter silbernen Gloschen auf dem Anrichtetisch stand, nahezu unberührt.
Es war ein unbehagliches Mahl. Auch das Erscheinen des Colonels und, wenig später, Georgianas, konnte die für sie alle so ungewohnt angespannte Atmosphäre nicht auflockern. Georgiana setzte sich auf den Stuhl zwischen Alveston und den Colonel. Während Alveston ihr Kaffee einschenkte, sagte sie: »Nach dem Frühstück sollten wir uns um die Briefe kümmern, Elizabeth. Wenn du den Text entwirfst, kann ich mit dem Schreiben beginnen. Alle Gäste können dieselbe und selbstverständlich nur sehr kurze Mitteilung erhalten.«
Alle schwiegen verlegen, bis schließlich der Colonel zu Darcy sagte: »Miss Darcy sollte Pemberley so bald wie möglich verlassen. Es wäre nicht angebracht, sie in die Sache hineinzuziehen oder gar der zu erwartenden Befragung durch Sir Selwyn oder die Wachtmeister auszusetzen.«
Georgiana entgegnete blass, jedoch mit fester Stimme: »Ich möchte aber helfen.« Sie wandte sich an Elizabeth. »Du hast
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