Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Nachttisch. Georgiana schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Kaum hatte die Zofe das Zimmer verlassen, lief sie auf Elizabeth zu und fragte besorgt: »Du siehst müde aus, liebe Elizabeth. Geht es dir nicht gut?«
»Ich mache mir Sorgen. Setzen wir uns, Georgiana. Ich muss dir etwas sagen.«
»Doch nicht Mr. Alveston?«
»Nein, nicht Mr. Alveston.«
Elizabeth berichtete ihr kurz von den Geschehnissen der vergangenen Nacht. Sie beschrieb, wie Wickham, als man Captain Denny auffand, zutiefst erschüttert neben der Leiche gekniet hatte. Die von ihm geäußerten Worte allerdings gab sie nicht wieder. Georgiana hörte, die Hände im Schoß, schweigend zu. In ihren Augen glitzerten Tränen, die ihr mit einem Mal ungehindert über die Wangen liefen. Elizabeth ergriff ihre Hand.
Nach einer Weile trocknete sich Georgiana die Augen und sagte gefasst: »Es kommt dir sicherlich merkwürdig vor, dass ich um einen jungen Mann weine, den ich gar nicht kannte, aber ich muss immer wieder daran denken, wie glücklich wir alle im Musikzimmer waren und dass, während ich mit Mr. Alveston sang und spielte, Captain Denny keine zwei Meilen von uns entfernt einen gewaltsamen Tod fand. Wie sollen nur seine Eltern diese schreckliche Nachricht ertragen? Welch ein Verlust, welch ein Schmerz für seine Freunde!« Elizabeth musste sie erstaunt angesehen haben, denn sie fügte hinzu: »Liebe Elizabeth, dachtest du, ich würde Wickhams wegen weinen? Aber er lebt doch, und Lydia wird bald wieder mit ihm vereint sein. Ich freue mich für die beiden. Es verwundert mich auch nicht, dass Mr. Wickham über den Tod seines Freundes, den er nicht verhindern konnte, so bestürzt war, aber bitte, liebe Elizabeth, denk nicht, es würde mich quälen, dass er in unser Leben zurückgekehrt ist. Es liegt so lange zurück, dass ich in ihn verliebt zu sein glaubte, und heute weiß ich, dass es nur die Erinnerung an die Freundlichkeit war, die er mir als Kind zuteil werden ließ, auch Dankbarkeit für seine Zuneigung und vielleicht Einsamkeit, aber Liebe war es nie. Und ich wäre auch gewiss nie mit ihm weggegangen. Schon damals erschien mir das Ganze eher unwirklich, wie ein kindisches Abenteuer.«
»Er wollte dich heiraten, Georgiana. Das hat er nie geleugnet.«
»Ja, ja, er hat es ernst gemeint.« Sie errötete. »Aber er versprach damals, dass wir bis zur Hochzeit wie Bruder und Schwester leben würden.«
»Und das hast du ihm geglaubt?«
In Georgianas Stimme schlich sich ein trauriger Unterton. »O ja, das habe ich ihm geglaubt. Er war ja nie in mich verliebt, es ging ihm nur um das Geld, immer nur um das Geld. Ich hege keinen Groll gegen ihn – außer des Schmerzes und der Sorgen wegen, die mein Bruder erleiden musste –, aber sehen möchte ich ihn lieber nicht.«
»Das wird das Allerbeste sein, und es besteht auch keine Notwendigkeit«, versicherte ihr Elizabeth, ohne hinzuzufügen, dass man George Wickham, sollte er nicht sehr viel Glück haben, am späten Vormittag unter Polizeibewachung aus Pemberley abführen werde.
Ohne viele Worte tranken sie ihren Tee. Als sich Elizabeth schließlich erhob und zum Gehen wandte, sagte Georgiana: »Fitzwilliam spricht nie von Wickham oder von dem, was vor so vielen Jahren geschah. Für mich wäre es einfacher, wenn er es täte. Es ist doch wichtig, dass Menschen, die sich lieben, offen und ehrlich miteinander über Dinge sprechen können, die sie berühren.«
»Das denke ich auch, aber manchmal ist es eben schwierig. Man muss den rechten Moment abwarten.«
»Den wird es nie geben«, wandte Georgiana ein. »Mich schmerzt nur, dass ich meinen geliebten Bruder enttäuscht habe und er meinem Urteilsvermögen nie wieder trauen wird. Aber Mr. Wickham ist kein böser Mensch, Elizabeth.«
»Aber ein gefährlicher vielleicht – und ein törichter.«
»Ich habe mit Mr. Alveston darüber gesprochen. Er glaubt, dass Wickham durchaus verliebt gewesen sein könnte, auch wenn ihn immer die Geldnot trieb. Mit Mr. Alveston kann ich offen reden. Warum nicht auch mit meinem Bruder?«
»Mr. Alveston kennt also das Geheimnis?«
»Ja, natürlich, wir sind gute Freunde. Aber Mr. Alveston versteht genau wie ich, dass nicht mehr daraus werden kann, solange Pemberley von diesem furchtbaren Geheimnis überschattet ist. Er hat sich mir noch nicht erklärt, und es gibt auch keine heimliche Verlobung. So etwas würde ich weder vor dir, Elizabeth, noch vor meinem Bruder jemals geheim halten. Aber wir wissen beide,
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