Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
sorgen, dass das Schreiben nicht ungebührlich lang ausfällt.
Ich spreche Dir und Mrs. Darcy mein Mitgefühl aus. Sollte die Angelegenheit eine Wendung zum Schlechteren nehmen, kannst Du jederzeit nach mir schicken, und ich trotze dem Herbstnebel, um bei Dir zu sein.
Mr. Collins’ Brief, dessen war Elizabeth sicher, würde nichts weiter zu entnehmen sein als die verwerfliche Freude des Pfarrers an seiner eigenen einzigartigen Mischung aus Aufgeblasenheit und Aberwitz. Das Schreiben war länger als erwartet. Lady Catherine de Bourgh hatte entgegen ihrer Ankündigung Nachsicht walten lassen. Mr. Collins begann mit der Beteuerung, ihm fehlten die Worte, mit denen sich ausdrücken ließe, wie betroffen und entsetzt er sei, um sogleich eine große Anzahl davon zu finden, die wenigsten davon passend und kein einziges hilfreich. So wie damals Lydias Verlobung schrieb er auch diese grässliche Angelegenheit der mangelhaften Aufsicht von Mr. und Mrs. Bennet über ihre Tochter zu und äußerte seine Genugtuung darüber, damals einen Antrag zurückgenommen zu haben, dessen Ergebnis ihn unentrinnbar mit der Schmach der Familie verknüpft hätte. Dann listete er einen ganzen Katalog künftiger Katastrophen auf, die der unglücklichen Familie nun bevorstünden, angefangen von der schlimmsten – Lady Catherines Missfallen und die ewig währende Verbannung aus Rosings – bis hin zu öffentlicher Schande, Bankrott und Tod. Der Brief endete mit der Nachricht, seine liebe Charlotte werde ihm in wenigen Monaten ein viertes Kind schenken. Das Pfarrhaus in Hunsford werde zwar nun ein bisschen eng für die wachsende Familie, doch er sei zuversichtlich, dass ihn die Vorsehung zu gegebener Zeit mit einer einträglichen Pfarrei und einem größeren Haus versorgen werde. Elizabeth las das als eine unverblümte an Darcy gerichtete Bitte – und es war nicht die erste –, welche dieselbe Antwort wie immer hervorrufen würde. Die Vorsehung hatte bisher keine Hilfsbereitschaft erkennen lassen, und Darcy würde gewiss keine zeigen.
Charlottes unversiegelter Brief enthielt, was Elizabeth erwartet hatte, nämlich nichts weiter als den Gepflogenheiten entsprechende, Bestürzung und Anteilnahme ausdrückende Floskeln sowie die Versicherung, sie und ihr Mann seien mit ihren Gedanken bei der vom Unheil betroffenen Familie. Zweifellos hatte Mr. Collins den Brief gelesen und somit jedes herzlichere und vertraulichere Wort verhindert. Charlotte Lucas und Elizabeth waren ihre ganze Kindheit und Jugend hindurch befreundet gewesen. Die einzigen weiblichen Wesen, mit denen sich Elizabeth damals vernünftig unterhalten konnte, waren Charlotte und Jane gewesen, und sie trauerte noch immer der früheren Vertrautheit mit Charlotte nach, die jetzt fast nur mehr in allgemeiner Freundlichkeit und einem regelmäßigen, aber nichtssagenden Briefwechsel zum Ausdruck kam. Darcy und sie waren seit ihrer Eheschließung zweimal zu Lady Catherine gefahren und hatten damals auch dem Pfarrhaus einen förmlichen Besuch abstatten müssen, den Elizabeth jedoch allein absolvierte, weil sie ihrem Mann die Höflichkeitsfloskeln ersparen wollte, mit denen Mr. Collins ihn sicherlich überschüttet hätte. Sie hatte versucht zu verstehen, warum Charlotte den Antrag des Pfarrers angenommen hatte, den sie selbst nur zwei Tage zuvor abgelehnt hatte, doch Charlotte hatte ihrer Freundin deren bestürzte Reaktion auf die Nachricht wahrscheinlich nie vergessen noch vergeben.
Elizabeth hegte den Verdacht, dass sich Charlotte dafür einmal an ihr gerächt hatte. Es war ihr ein Rätsel gewesen, durch wen Lady Catherine über die voraussichtliche Verlobung zwischen ihr und Mr. Darcy erfahren hatte, denn von dem ersten, katastrophalen Antrag hatte sie niemandem außer Jane erzählt. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass Charlotte sie verraten haben musste, und rief sich den Abend in Erinnerung, an dem Darcy in Begleitung der Bingleys zum ersten Mal im Ballsaal von Meryton erschienen war. Charlotte hatte damals die Vermutung geäußert, er sei an ihr, Elizabeth, interessiert, und hatte sie ermahnt, nicht Wickham den Vorzug vor dem soviel bedeutenderen Mann zu geben. Und dann war Elizabeth mit Sir William Lucas und seiner Tochter im Pfarrhaus zu Besuch gewesen. Charlotte selbst hatte darauf aufmerksam gemacht, wie oft Mr. Darcy und Colonel Fitzwilliam während dieses Aufenthalts ins Pfarrhaus gekommen waren, was doch nur Elizabeths wegen geschehen sein könne. Kurz darauf war der
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