Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
befreien, damit er in dieser schwierigen Zeit bei seiner Familie sein könne. Die Eheleute aber hatten dies beharrlich für unnötig erklärt, und Darcy war klargeworden, dass er die beiden mit seinem Drängen quälte. Bidwell lehnte grundsätzlich alles ab, was darauf hindeutete, er könnte – und sei es nur kurzzeitig – für Pemberley und seinen Herrn verzichtbar sein. Seit er nicht mehr als Oberkutscher tätig war, putzte er jedes Jahr am Abend vor Lady Annes Ball das Silber und zeigte sich davon überzeugt, dass man im ganzen Haus keinen anderen mit dieser Aufgabe betrauen könne.
Im vergangenen Jahr, als der junge Will immer schwächer geworden und die Hoffnung auf seine Gesundung geschwunden war, hatte Elizabeth die Familie im Waldcottage regelmäßig besucht und auch das kleine Zimmer im vorderen Teil des Hauses betreten dürfen, in dem der Patient lag. In letzter Zeit jedoch hatte sie gespürt, dass er es eher als peinlich denn erfreulich empfand, wenn sie mit Mrs. Bidwell an sein Bett trat, und in der Tat konnte man es als aufdringlich ansehen. Deshalb blieb sie jetzt stets im Wohnzimmer und versuchte die leidgeprüfte Mutter so gut wie möglich zu trösten. Immer wenn sich die Bingleys in Pemberley aufhielten, begleiteten sie Elizabeth, der jetzt wieder bewusst wurde, wie sehr sie ihre Schwester an diesem Tag vermissen würde und wie wohltuend es war, eine geliebte Gefährtin bei sich zu haben, der sie selbst die düstersten Gedanken anvertrauen konnte und deren Sanftheit und Güte jeden Kummer erträglicher machten. In Janes Abwesenheit waren Georgiana und eine der Kammerzofen mit Elizabeth zum Cottage gegangen, doch seit der feinfühligen Georgiana der Gedanke gekommen war, Mrs. Bidwell könnte im vertraulichen Gespräch mit Mrs. Darcy mehr Trost finden, machte sie immer nur kurz ihre Aufwartung und setzte sich dann draußen auf die Holzbank, die der junge Will einige Jahre zuvor gezimmert hatte. Darcy begleitete Elizabeth nur selten bei ihren regelmäßigen Besuchen, denn einen Korb mit Leckerbissen aus der Pemberley’schen Küche abzuliefern war eine Frauen vorbehaltene Aufgabe. Heute wollte Darcy zwar zu Wickham reiten, ansonsten aber in Pemberley bleiben für den Fall, dass sich Entwicklungen ergäben, die seine Anwesenheit erforderlich machten; deshalb war man beim Frühstück übereingekommen, dass nicht er, sondern ein Diener Elizabeth und Georgiana begleiten würde. Daraufhin hatte Alveston Darcy zugeflüstert, es wäre ihm eine Ehre, Mrs. Darcy und Miss Georgiana zu begleiten, falls sie dies wünschten, und man hatte sein Angebot dankbar angenommen. Elizabeth hatte einen kurzen Blick auf Georgiana geworfen und in deren Gesicht eine Freude aufblitzen sehen, die verriet, wie sehr sie den Vorschlag begrüßte.
Elizabeth und Georgiana wurden in einem kleinen Landauer zum Waldcottage gefahren; Alveston ritt auf seinem Pferd Pompey neben ihnen her. Nach der regenlosen Nacht hatte sich der Morgennebel bereits verzogen. Es war ein herrlicher Vormittag, kalt, aber sonnig. In der Luft lag ein anheimelnd herbstlicher Duft von Laub, frischer Erde und brennendem Holz. Selbst die Pferde schienen sich des Tages zu erfreuen, sie rissen die Köpfe hoch und zerrten an der Kandare. Der Wind hatte sich gelegt, doch die Überbleibsel des Sturms bedeckten den Fahrweg; die trockenen Blätter knirschten unter den Rädern und wirbelten hinter dem Wagen auf. Die Bäume waren noch nicht kahl, und unter dem strahlend blauen Himmel glühten das tiefe Rot und Gold des Herbstes. An einem solchen Tag konnte Elizabeths Herz nur Wonne empfinden, und zum ersten Mal seit dem Erwachen kam ein wenig Hoffnung in ihr auf. Für einen außenstehenden Betrachter mussten sie aussehen wie eine Gesellschaft auf dem Weg zu einem Frühstück im Grünen – die wehenden Mähnen, der Kutscher in seiner Livree, der Essenskorb, der schöne junge Mann neben dem Wagen. Nach der Einfahrt in den Wald ließen die dunklen, überhängenden Äste, die in der Abenddämmerung stets dicht und rauh wie ein Gefängnisdach wirkten, das Sonnenlicht durchscheinen; es fiel auf den laubbedeckten Weg und verlieh dem tiefen Grün der Sträucher eine frühlingshafte Lebendigkeit.
Der Kutscher brachte den Landauer zum Stehen und erhielt die Anweisung, in genau einer Stunde zurückzukommen. Dann gingen die drei zwischen schimmernden Baumstämmen hindurch auf dem ausgetretenen Pfad zum Cottage. Alveston führte Pompey am Zügel und trug den Korb. Die
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