Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Speisung war kein Almosen – in Pemberley bekamen alle Bediensteten Unterkunft, Essen und Kleidung –, sondern bestand aus zusätzlichen, von der Köchin zusammengestellten Köstlichkeiten, die Wills Appetit anregen sollten: Kraftbrühe aus dem besten Rindfleisch mit einem Schuss Sherry nach einer Rezeptur von Dr. McFee, pikantes Gebäck, das auf der Zunge zerging, Fruchtgelee, reife Birnen und Pfirsiche aus dem Treibhaus. Will vertrug zwar inzwischen meist nicht einmal mehr diese Speisen, dennoch wurden sie dankbar angenommen; wenn er sie nicht essen konnte, durften sich seine Mutter und seine Schwester daran gütlich tun.
Obwohl sie leise waren, musste Mrs. Bidwell sie gehört haben, denn die zarte, kleine Frau empfing sie bereits an der Tür. Wie ein verblasstes Aquarell ließ ihr Gesicht noch die fragile Schönheit und Verheißung der Jugend durchscheinen, doch die Angst und die Qual, auf das Sterben ihres Sohnes warten zu müssen, hatten eine alte Frau aus ihr gemacht. Elizabeth stellte ihr Alveston vor, dem es gelang, sein ehrliches Mitgefühl auszudrücken, ohne Will direkt zu erwähnen. Er versicherte Mrs. Bidwell seiner Freude darüber, sie kennenzulernen, und erklärte, dass er auf der Holzbank warten wolle, bis Mrs. und Miss Darcy zurückkämen.
»Die hat mein Sohn Will gemacht, Sir«, sagte Mrs. Bidwell. »Eine Woche bevor er krank wurde, hat er die Arbeit beendet. Er war, wie Sie sehen, ein tüchtiger Tischler, es machte ihm Freude, Möbel zu entwerfen und zu zimmern. Mrs. Darcy hat einen Kinderstuhl – nicht wahr, Madam? –, den hat er für das Weihnachtsfest nach Master Fitzwilliams Geburt gemacht.«
»Das stimmt«, sagte Elizabeth. »Es ist ein sehr schöner Stuhl, und immer wenn die Kinder darauf herumklettern, denken wir an Will.«
Alveston verbeugte sich, ging hinaus und nahm auf der Bank Platz, die am Waldrand stand und vom Cottage aus gerade noch zu sehen war, während sich Elizabeth und Georgiana auf die dargebotenen Wohnzimmerstühle setzten. Der Raum war schlicht möbliert. In der Mitte befand sich ein länglicher Tisch mit vier Stühlen, rechts und links vom Kamin jeweils ein bequemer Sessel, und auf dem breiten Kaminsims standen dicht gedrängt Erinnerungsstücke der Familie. Das nach vorn gehende Fenster war angelehnt, und doch herrschte drückende Hitze im Zimmer. Obwohl Will Bidwell einen Stock höher lag, durchzog das gesamte Haus der säuerliche Geruch langjähriger Krankheit. Neben dem Fenster standen eine Wiege und ein Stillsessel. Nachdem Mrs. Bidwell ihr Einverständnis bedeutet hatte, ging Elizabeth hin, betrachtete das schlafende Kind und gratulierte der Großmutter zu dem gesunden und hübschen Neuankömmling. Von Louisa war nichts zu sehen. Georgiana spürte, dass Mrs. Bidwell gern die Gelegenheit genutzt hätte, um mit Elizabeth unter vier Augen zu sprechen, und nahm, nachdem sie sich nach Will erkundigt und das Kind bewundert hatte, den von Elizabeth vorgebrachten und mit ihr abgesprochenen Vorschlag an, sich zu Alveston zu gesellen. Rasch wurde der Weidenkorb geleert, sein Inhalt dankbar entgegengenommen. Dann setzten sich die beiden Frauen in die Sessel neben dem Kamin.
»Er behält nicht mehr viel bei sich, Madam«, berichtete Mrs. Bidwell. »Aber diese Rinderbrühe schmeckt ihm, und von der Eiercreme werde ich ihn kosten lassen, und natürlich vom Wein. Es ist schön, dass Sie uns besuchen, Madam, aber ich werde Sie nicht bitten, zu ihm zu gehen. Es würde Sie nur bekümmern, und er hat ohnehin nicht die Kraft, viel zu reden.«
»Dr. McFee kommt doch regelmäßig, nicht wahr? Kann er ihm denn ein wenig Linderung verschaffen?«
»Er kommt jeden zweiten Tag, obwohl er so viel zu tun hat, und niemals verlangt er etwas dafür. Er meint, es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Ach, Madam, Sie haben meinen lieben Jungen gesehen, als Sie gerade Mrs. Darcy geworden waren und hierherkamen. Warum musste ihm das widerfahren? Wenn es irgendeinen Sinn oder Zweck hätte, könnte ich es ertragen.«
Elizabeth legte ihr die Hand auf den Arm. »Diese Frage stellen wir uns immer, und nie bekommen wir eine Antwort. Sieht Reverend Oliphant hin und wieder vorbei? Letzten Sonntag nach dem Gottesdienst sagte er, er wolle Will besuchen.«
»Aber ja, Madam, und er spendet natürlich Trost. In letzter Zeit hat mich Will aber gebeten, ihn nicht kommen zu lassen. Deshalb erfinde ich Ausreden, die den Reverend hoffentlich nicht kränken.«
»Er wäre ganz gewiss nicht
Weitere Kostenlose Bücher