Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
militärischen Dingen kenne ich mich nicht aus. Lydias Mann scheint sich mit seiner jüngsten Heldentat insofern ausgezeichnet zu haben, als es ihm gelungen ist, die größtmögliche Peinlichkeit für seine Familie zu einer Belustigung für die Volksmenge werden zu lassen. Wie der Colonel mir erzählte, haben Sie den Gefangenen in Lambton besucht. In welcher Verfassung trafen Sie ihn denn an?«
»Er ist guten Mutes. Der Unterschied zwischen seiner augenblicklichen Erscheinung und dem Bild, das er am Tag nach dem Angriff auf Denny bot, ist bemerkenswert. Allerdings war er damals betrunken und vollkommen durcheinander. Inzwischen hat er sowohl seine Zuversicht als auch sein früheres Erscheinungsbild wiedergewonnen. Dem Ausgang der gerichtlichen Untersuchung sieht er erstaunlich hoffnungsvoll entgegen und tut, wenn man Alveston glauben darf, recht daran. Dass keine Waffe gefunden wurde, kommt ihm sicherlich zugute.«
Die beiden Männer setzten sich. Darcy sah, dass sein Schwiegervater immer wieder zur Edinburgh Review hinüberschielte, jedoch der Versuchung widerstand, seine Lektüre fortzusetzen. »Wenn Wickham sich nur endlich entscheiden könnte, wie er von der Welt gesehen werden will!«, sagte Mr. Bennet. »Zum Zeitpunkt seiner Heirat war er ein verantwortungsloser, aber charmanter Lieutenant, der mit zuckersüßem Lächeln um uns herumscharwenzelte, als hätte er dreitausend im Jahr und einen prächtigen Wohnsitz mit in die Ehe gebracht. Später, als er sein Patent erhalten hatte, wurde er zu einem Mann der Tat, zur Heldenfigur, was sicherlich einen Wandel zum Besseren darstellte und Mrs. Bennet ausgeprochen zusagte. Und jetzt sollen wir ihn als einen in der Wolle gefärbten Schurken betrachten, dem die – hoffentlich nur geringe – Gefahr droht, als öffentliches Spektakel zu enden. Im Mittelpunkt stand er schon immer gern, aber den letzten Auftritt dürfte er sich anders gewünscht haben. Ich kann nicht glauben, dass er ein Mörder ist. Seine Vergehen mögen für seine Opfer nicht eben angenehm gewesen sein, doch soweit ich weiß, umfassten sie nie Gewalt gegen ihn selbst oder andere.«
»Wir können die Gedanken anderer Menschen nicht lesen«, meinte Darcy, »aber auch ich halte ihn für unschuldig und werde dafür sorgen, dass er juristisch so gut wie nur möglich beraten und vertreten wird.«
»Sehr großzügig von Ihnen. Das ist, auch wenn ich es nicht sicher weiß, wohl kaum die erste edelmütige Tat, für die meine Familie Ihnen Dank schuldet.« Ohne auf eine Erwiderung zu warten, fügte Mr. Bennet hastig hinzu: »Wie Colonel Fitzwilliam mir mitteilte, sind Elizabeth und Miss Darcy mit einer wohltätigen Unternehmung beschäftigt und bringen einer unglücklichen Familie einen Korb mit Lebensmitteln. Wann werden sie zurückerwartet?«
Darcy zog seine Uhr hervor. »Sie müssten inzwischen auf dem Heimweg sein. Falls Sie ein wenig Bewegung wünschen, Sir, könnten Sie sich mir anschließen und ihnen Richtung Wald entgegengehen.«
Mr. Bennet, der als ein gerne sitzender Mensch bekannt war, zeigte sich sofort bereit, um des Vergnügens willen, seine Tochter zu überraschen, auf die Review und die Behaglichkeit des Bibliothekskamins zu verzichten. In diesem Augenblick trat Stoughton ein, entschuldigte sich dafür, dass er bei der Rückkehr seines Herrn nicht an der Tür gewesen war, und ging unverzüglich die Hüte und Mäntel der Gentlemen holen. Darcy erwartete das Erscheinen des Landauers nicht weniger gespannt als sein Begleiter. Er hätte dem Ausflug niemals zugestimmt, wenn er ihm in irgendeiner Weise gefährlich erschienen wäre, und Alveston kannte er als einen vertrauenswürdigen und findigen Menschen, doch seit Dennys Ermordung erfüllte ihn eine diffuse, vielleicht gänzlich unvernünftige Angst, sobald er seine Frau nicht mehr im Blick hatte. Und so war er sehr erleichtert, als der kleine Landauer fünfzig Schritte vor Pemberley in Sicht kam, langsamer wurde und schließlich stehen blieb. Als Elizabeth aus dem Wagen stürzte, auf ihren Vater zulief, überglücklich »Ach, Vater, wie schön, dass du hier bist!« rief und sich in seine Arme warf, wurde Darcy einmal mehr bewusst, wie froh er selbst über Mr. Bennets Besuch war.
6
D ie gerichtliche Untersuchung fand in einem großen Raum im hinteren Teil des Gasthofs King’s Arms statt. Acht Jahre zuvor hatte man ihn für diverse Veranstaltungen eingerichtet, zu denen auch gelegentlich stattfindende Tanzabende zählten, die, etwas
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