Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
verstehen, dass Hardcastle Ihnen zu Ihrem wie seinem eigenen Schutz nur ungern Informationen zukommen lässt, aber da er mittlerweile davon überzeugt ist, dass alle Familienangehörigen, Besucher und Dienstboten in Pemberley über ein ausreichendes Alibi verfügen, empfinde ich die Verschwiegenheit, mit der Ihnen wichtige Entwicklungen vorenthalten werden, als unnötig. Ich habe Ihnen daher mitzuteilen, dass die Polizei eine große, glattrandige Steinplatte gefunden hat, die Hardcastle für die Tatwaffe hält. Sie wurde etwa fünfzig Schritte entfernt von der Lichtung, auf der man Dennys Leiche fand, unter einer Laubschicht entdeckt.«
Es gelang Darcy, seine Verblüffung zu verbergen und, den Blick geradeaus gerichtet, leise zu fragen: »Wodurch lässt sich beweisen, dass es sich um die Tatwaffe handelt?«
»Durch nichts Bestimmtes. Auf der Steinplatte sind keinerlei verfängliche Spuren zu sehen, weder Blut noch Haare, doch das ist nicht weiter verwunderlich. Auf den Sturm folgte ja, wie Sie sich erinnern werden, am späteren Abend ein so heftiger Regen, dass der Waldboden und das Laub völlig durchnässt gewesen sein mussten. Aber ich habe die Platte gesehen. Von ihrer Größe und Form her kann sie eine solche Wunde durchaus verursacht haben.«
Darcy hielt die Stimme gesenkt. »Es war allen in Pemberley lebenden Personen verboten, den Wald zu betreten, aber ich weiß, dass die Polizei ihn gründlich nach der Waffe durchsucht hat. Ist Ihnen bekannt, welcher Wachtmeister die Platte fand?«
»Brownrigg nicht, und Mason auch nicht. Sie brauchten Verstärkung und forderten Wachtmeister aus der Nachbargemeinde an, zu denen auch Joseph Joseph gehörte. Seine Eltern waren offenbar so sehr in ihren Nachnamen verliebt, dass sie ihn ihrem Sohn auch als Taufnamen gaben. Er ist ein gewissenhafter und verlässlicher Mensch, wenn auch mutmaßlich kein allzu intelligenter. Er hätte die Steinplatte an Ort und Stelle belassen und andere Wachtmeister als Zeugen rufen sollen. Stattdessen trug er sie im Triumph zu Oberwachtmeister Brownrigg.«
»Es kann also nicht bewiesen werden, dass die Fundstelle genau dort ist, wo er behauptet?«
»Nein. Wie mir berichtet wurde, lagen in der Umgebung mehrere Steine von unterschiedlicher Größe, allesamt halb im Erdboden und unter Blättern verborgen, aber dass diese bestimmte Steinplatte dazugehörte, lässt sich nicht beweisen. Vielleicht hat dort vor vielen Jahren jemand eine Schubkarre ausgeleert oder versehentlich umgestoßen – womöglich, als Ihr Großvater das Waldcottage errichten ließ und man Baumaterial durch den Wald transportierte.«
»Wird Hardcastle oder die Polizei die Steinplatte hier vorzeigen?«
»Nein, das glaube ich nicht. Makepeace lässt sie nicht als Beweismittel zu, da man nicht mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass es sich um die Tatwaffe handelt. Die Geschworenen werden höchstens darauf hingewiesen, dass man einen Stein gefunden hat, aber vielleicht nicht einmal das. Makepeace will die gerichtliche Untersuchung auf keinen Fall zu einer Verhandlung ausarten lassen. Er wird den Geschworenen ihre Pflichten verdeutlichen, zu denen es nun einmal nicht gehört, sich die Befugnisse des Schwurgerichts anzumaßen.«
»Sie glauben also, dass der Fall an das Schwurgericht verwiesen wird?«
»In Anbetracht von Wickhams Äußerungen, die man ihm als ein Geständnis auslegen wird, hege ich diesbezüglich nicht den geringsten Zweifel. Würde man den Fall nicht verweisen, wäre das äußerst ungewöhnlich. Doch wie ich sehe, ist Mr. Wickham soeben eingetroffen. Für einen Menschen in seiner heiklen Lage wirkt er geradezu erstaunlich gelöst.«
Darcy hatte zuvor in unmittelbarer Nähe des Podiums drei leere, von Polizisten bewachte Stühle bemerkt. Wickham wurde nun mit gefesselten Händen von zwei Gefängniswärtern zum mittleren Stuhl geführt, während die beiden Aufseher rechts und links von ihm Platz nahmen. Mit einer an Lässigkeit grenzenden Gemütsruhe ließ er den Blick scheinbar gelangweilt über sein Publikum schweifen, ohne ihn auf ein bestimmtes Gesicht zu heften. Das Gepäck mit seinen Kleidern war, nachdem Hardcastle es freigegeben hatte, zum Gefängnis gebracht worden, so dass er jetzt seine offenbar beste Jacke tragen konnte, und was von seinen Unterkleidern hervorsah, zeugte von der Sorgfalt und Geschicklichkeit der Wäschemagd in Highmarten. Mit einem Lächeln wandte er sich an einen der Gefängniswärter, der ihm daraufhin zunickte. Darcy glaubte,
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