Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Wickham als Sekretär eingestellt, der bei dem Umzug mithelfen sollte. Nach sechs Monaten war Wickham entlassen worden. Immer wenn es schlechte Nachrichten gab, in denen es um öffentlichen Zwist ging oder, noch schlimmer, um familiäre Unstimmigkeiten, war es Janes Aufgabe, versöhnlich zu wirken und keine der beteiligten Parteien im Unrecht zu sehen. Doch als die Umstände von Wickhams jüngstem Versagen ihrer skeptischer gesinnten Schwester zu Ohren kamen, mutmaßte Elizabeth, dass Miss Elliot über die Resonanz besorgt gewesen war, mit der ihr Vater Lydias unverhohlener Koketterie begegnete, während sie Wickham in seinem Bemühen, sich bei ihr einzuschmeicheln, anfangs aus Langeweile und Eitelkeit wohl durchaus ermutigt, schließlich jedoch nur mehr mit Abscheu betrachtet hatte.
Als Lambton hinter ihm lag, atmete Darcy in tiefen Zügen die kühle, frische Luft ein und genoss es, dem unverwechselbaren Gefängnisgestank, diesem Geruch nach Menschenkörpern, Essen und billiger Seife, ebenso entronnen zu sein wie dem Klirren der Schlüssel. Erleichtert und mit einem Gefühl, als wäre er selbst aus dem Kerker entflohen, lenkte er sein Pferd in Richtung Pemberley.
5
P emberley wirkte wie ausgestorben. Elizabeth und Georgiana waren offenbar noch nicht zurückgekehrt. Kaum war Darcy abgestiegen, bog schon einer der Stallburschen um die Hausecke und nahm ihm das Pferd ab, doch da er früher als erwartet zurückgekommen war, empfing ihn niemand an der Tür. Er betrat die stille Eingangshalle und ging auf die Bibliothek zu, wo er den Colonel vermutete, der sicherlich gespannt auf die Neuigkeiten wartete. Zu seiner Verwunderung traf er dort Mr. Bennet an. Sein Schwiegervater hatte es sich in einem Armsessel vor dem Kamin bequem gemacht und las die Edinburgh Review. Die leere Tasse und der benutzte Teller auf dem Tischchen neben ihm zeugten davon, dass man ihn nach seiner Reise mit einem Imbiss versorgt hatte. Darcy war zunächst verblüfft stehen geblieben, hatte jedoch schnell gespürt, wie sehr ihn der Anblick des unerwarteten Besuchers freute, und während sich Mr. Bennet nun von seinem Sessel erhob, trat Darcy zu ihm und schüttelte ihm herzlich die Hand.
»Bitte lassen Sie sich nicht stören, Sir. Es ist mir eine große Freude, Sie begrüßen zu dürfen. Man hat sich hoffentlich um Sie gekümmert?«
»Sie sehen ja … Stoughton war tüchtig wie immer, und ich habe auch bereits mit Colonel Fitzwilliam gesprochen. Nach der Begrüßung wollte er die Gelegenheit meines Besuchs nutzen und sein Pferd ausreiten. Meinem Eindruck nach war es ihm im Haus ein wenig langweilig. Auch die achtbare Mrs. Reynolds hat mich willkommen geheißen und mir versichert, dass mein gewohntes Zimmer immer für mich bereitsteht.«
»Wann sind Sie eingetroffen, Sir?«
»Vor etwa vierzig Minuten, mit einer Mietdroschke. Nicht die bequemste Art, weit zu reisen – ursprünglich wollte ich mit der Kutsche kommen –, aber Mrs. Bennet jammerte, sie brauche doch die Kutsche, um Mrs. Philips, der Familie Lucas und all den anderen Interessierten in Meryton die neuesten Nachrichten in Bezug auf Mr. Wickhams unglückliche Situation zu überbringen. Dies in einer Mietdroschke zu tun, hätte sie nicht nur für sich, sondern für die ganze Familie als erniedrigend empfunden. Nachdem ich bereits beschlossen hatte, sie in dieser kummervollen Zeit zu verlassen, konnte ich sie nicht auch noch des bequemeren Fortbewegungsmittels berauben, und so hat nun Mrs. Bennet die Kutsche. Ich möchte mit meinem unangekündigten Besuch keinesfalls zusätzliche Umstände machen, aber ich dachte mir, dass Sie vielleicht gern einen zusätzlichen Mann im Haus hätten, während Sie mit der Polizei verhandeln oder sich um Wickhams Wohlergehen kümmern müssen. Wie Elizabeth in ihrem Brief mitteilte, wird ja der Colonel bald zu seinen militärischen Pflichten und der junge Alveston nach London zurückkehren.«
»Sie werden nach der gerichtlichen Untersuchung abreisen, die, wie ich am Sonntag erfahren habe, morgen stattfinden soll. Ihre Anwesenheit wird den Damen ein großer Trost sein und beruhigt mich ungemein, Sir. Über die Umstände von Wickhams Festnahme hat Colonel Fitzwilliam Sie sicherlich bereits in Kenntnis gesetzt.«
»In äußerster Knappheit zwar, aber durchaus präzise. Es hätte sich ebenso gut um einen Militärbericht handeln können. Um ein Haar hätte ich ihm einen Salut erwiesen. Salut erweisen – so sagt man doch, nicht wahr? In
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