Der Tod kommt wie gerufen
streckte die Hand aus.
Charlie nahm sie in Finger, die so lang waren, dass er den Toronto Skydome damit hätte umfassen können. »Schön, dich zu sehen, Tempe.«
»Ihr kennt euch?«
»Deine Mom und ich waren zusammen auf der Highschool.« Charlies Akzent war flacher und abgehackter, als ich ihn in Erinnerung hatte, vielleicht das Resultat seiner Zeit im Norden, vielleicht das Produkt einer bewussten Veränderung.
»Das haben Sie mir nie erzählt.« Katy boxte Charlie auf den Bizeps. »Einspruch, Herr Anwalt. Zurückhalten von Beweismitteln. «
»Katy hat mir alles von deinen Errungenschaften erzählt.« Charlie hielt noch immer meine Finger umfasst, und er schaute mich mit diesem Blick an, der besagte: »Außer dir gibt es im ganzen Universum niemanden.«
»Hat sie das.« Ich zog meine Hand zurück und starrte meine Tochter mit zusammengekniffenen Augen an.
»Sie ist eine sehr stolze, junge Dame.«
Die stolze, junge Dame ließ ein unglaublich gekünsteltes Lachen hören. »Mom und ich haben eben über Sie geredet, und in dem Augenblick marschieren Sie herein. Was für ein Zufall.«
Wie Knoblauch und schlechter Atem Zufall sind, dachte ich.
»Sollte ich rote Ohren kriegen?« Jungenhaftes Grinsen. Er war gut.
»Nur Gutes«, sagte Katy.
Charlie schaute angemessen überrascht und bescheiden drein.
»Ich muss jetzt weiter«, sagte er. »Ich kam zufällig vorbei, sah Katy durchs Fenster und dachte mir, ich schau mal schnell rein und sag dir, was für einen hervorragenden Job sie für uns macht.«
»Sie genießt die Herausforderung sehr«, sagte ich. »Vor allem die Dateneingabe. Katy liebt es, Informationen in den Computer zu tippen. Das hat sie schon immer.«
Diesmal war es Katy, die mich anfunkelte.
»Na ja, und wir genießen es sehr, sie im Büro zu haben.«
Ich musste zugeben, mit seinen smaragdgrünen Augen und den überirdischen Wimpern war Charlie Hunt noch immer ein sehr attraktiver Mann. Seine Haare waren schwarz, seine Haut ein angenehmer Kompromiss zwischen Afrika und Italien. Auch wenn der Mantel seinen Bauch verdeckte, schien er dort heute kaum mehr Pfunde zu haben als damals im Skylark.
Charlie wandte sich zum Gehen. Katy zeigte mir eine Grimasse, die wohl »Sag doch was« bedeuten sollte, und wedelte mit den Fingern.
Ich legte den Kopf schief und grinste sie an. Stumm.
»Mom arbeitet gerade an dieser Sache mit den Kesseln im Keller«, sagte Katy viel zu fröhlich. »Das ist der Grund, warum ihre Haare« – sie deutete mit der Hand in meine Richtung – »nass sind.«
»Sieht doch toll aus.« Charlie strahlte mich an.
»Mit Mascara und Rouge sieht sie besser aus.«
Meine rougelosen Wangen brannten.
»Wäre doch eine Sünde, dieses Gesicht anzumalen. Als würde man einen Renoir nachkolorieren. Aber jetzt, macht es gut.«
Charlie drehte sich um, zögerte, drehte sich wieder zurück. Wie Columbo.
Jetzt kommt’s, dachte ich.
»Sieht so aus, als würden wir in gegnerischen Mannschaften spielen.«
Anscheinend hatte ich verwirrt dreingeschaut.
»Du wirfst sie ins Gefängnis, ich haue sie wieder raus.«
Ich hob eine Augenbraue.
»Wäre ein interessantes Gesprächsthema bei einem Kaffee.«
»Du weißt doch, ich darf nicht über –«
»Natürlich nicht. Aber es gibt kein Gesetz gegen das Schwelgen in Erinnerungen.«
Der Mann zwinkerte mir tatsächlich zu.
Als ich nach Hause kam, war es fast zehn. Katy hatte mir bereits eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen, eine Wiederholung des Wortwechsels, den wir nach Charlies Abgang gehabt hatten. Sei doch nicht blöd. Gib ihm eine Chance. Er ist cool.
Charlie Hunt mochte ein Prinz sein, aber ich hatte nicht vor, mich mit ihm zu verabreden. Eine Beziehungsanbahnung durch meine Tochter war eine Demütigung, die ich nicht nötig hatte.
Da waren noch zwei andere Nachrichten. Pete. Ruf mich an. Eine Landschaftsgärtnerei. Wir kümmern uns um Ihren Garten.
Enttäuschung. Dann der übliche Disput in meinem Kopf.
Hast du wirklich gedacht, dass Ryan anrufen würde?
Nein.
Natürlich nicht.
Wenn schon.
Er lebt mit einer anderen Frau zusammen.
Sie sind nicht verheiratet.
Er hätte von seinem Handy aus anrufen können.
Handy.
Ich schnappte mir meine Handtasche, zog das Handy heraus und kontrollierte die Mailbox.
Lass ihn ziehen.
Ich vermisse es, mit ihm zu reden.
Rede mit der Katze.
Wir sind immer noch Freunde.
Zieh einen Schlussstrich.
Ich machte es mir im Bett gemütlich und schaltete die Fernsehnachrichten
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