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Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Zehenballen, Schwielen, verdickte Nägel oder sonstige Indikatoren für fortgeschrittenes Alter.
    Slidell bückte sich seitlich und spähte unter die Hinterbacken. »Maschinerie komplett.«
    Die Beobachtung war zwar nicht gerade elegant formuliert, aber korrekt. Die Genitalien waren männlich und voll ausgebildet.
    »Kein Zweifel, das ist ein weißer Junge«, sagte Rinaldi. Die Haut war gespenstisch bleich, die feine Körperbehaarung hellblond.
    Ich kniete mich hin. Die Fliegen drehten wieder durch. Larabee wedelte sie weg und kniete sich neben mich.
    Aus der Nähe sah ich einen hellgelben Knochen im Fleisch des durchtrennten Halses glitzern. In leuchtend rosigem Fleisch. Irgendwas war da merkwürdig.
    »Die Wunde ist so rot wie ein Porterhouse-Steak.« Larabee sprach aus, was ich dachte.
    »Ja«, pflichtete ich ihm bei. »Der Kopf ist nicht abgefallen, er wurde abgetrennt. Geht man von einem PMI von zwei Tagen aus, ist die ganze Leiche erstaunlich gut erhalten.«
    Larabee tastete einen Defekt auf der Höhe der zehnten Rippe ab, in der rechtsseitigen Muskelmasse, die parallel zum Rückgrat verlief.
    »Irgendwelche Ideen dazu?«
    Die Vertiefung sah aus wie eine Reihe sechs kurzer, paralleler Linien mit einer siebten, die sie im rechten Winkel überlagerte.
    »Kontakt mit irgendwelchem Unrat?« Ich glaubte es eher nicht.

    »Vielleicht.« Larabee untersuchte die eine nach oben gedrehte Handfläche, dann die andere. »Keine Verteidigungswunden. Sieht aus, als würden wir verwertbare Fingerabdrücke bekommen.« Zu Hawkins: »Die Hände auf jeden Fall in Tüten stecken.«
    »Kommt der Kerl aus dem Wasser?«, fragte Slidell.
    »Sieht nicht so aus wie die meisten Wasserleichen, die ich gesehen habe«, sagte ich.
    »Keine Hinweise auf Fraß durch Wasserbewohner«, sagte Larabee.
    »Vielleicht war er ja nur kurz drin.«
    Larabee zuckte die Achseln. »Auf jeden Fall brauchen wir nicht nach Wasser in der Lunge suchen. Wenn er wirklich aus dem See angeschwemmt wurde, dann atmete er bestimmt nicht mehr, als er hineinkam.«
    »Und, wie sieht das Ganze jetzt zeitmäßig aus?«
    »Die Leiche liegt so lange hier, dass Schmeißfliegen sie besiedeln und Eier ablegen konnten und einige Nachkommen bereits geschlüpft sind.« Mir war aufgefallen, dass die wenigen vorhanden Larven noch sehr jung und keine Puppen oder leeren Puppenhüllen vorhanden waren.
    »Können Sie das für uns Normalsterbliche übersetzen?«
    »Die Fliegen dürften die Leiche innerhalb von Minuten gefunden haben, vor allem bei einer so massiven, offenen Wunde. Die Eiablage war eine Sache von Stunden. Zum Schlüpfen kam es nach zwölf bis achtundvierzig Stunden, abhängig von den Temperaturen. «
    »Es war warm«, sagte Rinaldi.
    »Das würde alles beschleunigen.«
    »Und, was denken Sie?« Slidell wiederholte seine Frage, diesmal mit leicht verärgertem Unterton.
    Glaubt man Funderburkes Geschichte, dann stimmt hier irgendwas nicht, dachte ich mir, behielt es aber für mich.
    »Ich bin keine Entomologin«, sagte ich. »Aber ich sammle Proben für eine Untersuchung.«

    Zusätzlich zum fehlenden Geruch und der nur bescheidenen Insektenaktivität störte mich noch etwas anderes. Wenn die Leiche dort abgelegt worden war, wo sie jetzt lag, oder wenn sie nur kurz im Wasser gelegen hatte, dann würde das erklären, warum keine Fraßspuren von Wassertieren zu sehen waren. Aber laut Funderburkes Angaben lag sie seit vergangenem Dienstag am Ufer. In der Zeit hätte die örtliche Fauna hier eine Imbissbude aufmachen sollen. Warum also keine Hinweise auf Beschädigungen durch Tiere?
    Slidell wollte eben etwas sagen, als zwei Spurensicherungstechniker zwischen den Bäumen hervortraten. Die Frau war groß, hatte dralle Wangen und Zöpfe, die sie sich um den Kopf gesteckt hatte. Der Mann war sonnengebräunt und trug eine Maui-Jim-Sonnenbrille.
    Larabee informierte sie. Beide schienen kein sonderliches Interesse an langatmigen Erklärungen zu haben. Verständlich. Sie hatten einen langen Nachmittag des Dokumentierens und des Einsammelns von Beweismitteln und der Leiche vor sich. Wir warteten, während Marker platziert, Fotos geschossen und Maße genommen wurden. Nachdem die vorläufigen Untersuchungen abgeschlossen waren, schauten beide Techniker den ME an.
    Larabee wandte sich mir zu und lud mich mit einer Geste zur Mitarbeit ein.
    Wir traten an die Leiche, ich an der Hüfte, Larabee an den Schultern.
    Hinter uns auf dem Wasser jaulte ein vorbeifahrendes Boot. Einige Wellen

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