Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
klatschten ans Ufer.
    »Fertig?« Die Stirn des ME über der Maske war kräftig gerunzelt. Der Augenblick der Wahrheit. Das Umdrehen der Leiche.
    Ich nickte.
    Gemeinsam drehten wir den Torso auf den Rücken.
    Alle Anwesenden waren alte Hasen, gewohnt an Mord, Verstümmelungen und all die Grässlichkeiten, die ein Mensch einem
anderen antun kann. Aber ich bezweifle, dass einer der Anwesenden so etwas schon einmal gesehen hatte.
    Rinaldi sprach aus, was wir alle dachten.
    »Verdammte Scheiße.«

11
    Auch wenn der Kontakt mit dem Boden die meisten Fliegen abgehalten hatte, war es einigen unverdrossenen Damen doch gelungen, unter die Leiche zu kriechen. Ein weißer Kreis brodelte auf der bleichen, unbehaarten Brust, ein kleineres Oval auf dem Bauch.
    »Was zum Teufel?« Gedämpft durch rotes Polyester.
    Als ich mich über die Leiche beugte, konnte ich sehen, dass die Eimassen nicht gleichmäßig verteilt waren, sondern sich offenbar zu Mustern zusammendrängten. Mit behandschuhtem Finger schob ich verstreute Eier zu den dickeren Streifen, die den Kreis zu begrenzen und zu kreuzen schienen.
    Und spürte eine Kälte in meiner Brust.
    Die Eier bildeten einen auf dem Kopf stehenden fünfzackigen Stern.
    »Das ist ein Pentagramm«, sagte ich.
    Die anderen blieben stumm.
    Mit demselben Finger »säuberte« ich nun das Oval, bis das Muster erkennbar war: 666.
    »Sieht nicht eben aus wie vom Heiligen Geist inspiriert.« Slidells Stimme klang belegt vor Abscheu.
    »Wie …?« Rinaldi beendete die Frage nicht.
    »Fliegen sind wie wir«, sagte ich. »Wenn sie die Wahl haben, nehmen sie den einfachsten Weg. Körperöffnungen. Offene Wunden.«
    Slidell wusste, was ich meinte. »An dem Jungen wurde rumgeschnitzt. «

    »Ja.«
    »Bevor oder nachdem ihm der Kopf abgeschlagen wurde?« Wütend.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann hat Lingo also recht?«
    »Wir sollten keine voreiligen –«
    »Haben Sie eine andere Theorie?«
    Hatte ich nicht.
    »Gehen wir.« Mit versteinertem Gesicht marschierte Slidell davon.
    »Er meint das nicht respektlos.« Rinaldi klang entschuldigend. »Seine Nichte hatte Probleme in der Highschool.« Er hielt inne, schien sich zu überlegen, ob er mehr sagen sollte. Entschied sich dagegen. »Wie auch immer, er will diese Greenleaf-Sache unbedingt zum Abschluss bringen. Wir haben Kenneth Roseboro im Visier, den Jungen, der das Haus geerbt hatte.«
    »Wanda Hornes Neffe«, sagte ich.
    »Ja.« Wieder ging Rinaldi nicht ins Detail. »Sollen wir die Gegend mit einem Leichenhund absuchen lassen, damit der vielleicht den Kopf findet?«
    Ich nickte.
    »Ich rufe gleich mal an.«
    Als ich mit meinem Ausrüstungskoffer vom Auto zurückkehrte, machte Hawkins Videoaufnahmen und das Spurensicherungsteam ging die Umgebung ab. Das Ufer war bereits gesprenkelt mit orangefarbenen Markern, die potentielle Indizien kennzeichneten. Zigarettenkippen. Schokoriegeltüten. Papiertaschentücher. Das Meiste würde sich als nutzlos erweisen, aber in diesem Stadium wusste noch niemand, was relevant und was nur zufällig hier war.
    Ich öffnete den Koffer und breitete meine Utensilien aus. Neben mir zog der ME eben ein Thermometer aus dem Futteral, um es in den Anus der Leiche zu schieben. Oder in die Eiermasse. Ich wusste es nicht. Zwei Stunden lang sammelten und beschrifteten
wir Indizien, Larabee an der Leiche, Brennan an den Insekten.
    Zuerst machte ich Detailaufnahmen, für den Fall, dass etwas auf dem Weg zum Entomologen zu etwas anderem reifte. Diesen Fehler hatte ich einmal gemacht.
    Mit einem befeuchteten Kinder-Malpinsel kehrte ich dann Eier zusammen. Eine Hälfte konservierte ich in Alkohol. Mögen sie in Frieden ruhen. Den Rest brauchte ich lebendig, damit der Entomologe sie zur Speziesbestimmung ausreifen lassen konnte. Diese glückliche Hälfte steckte ich zu Rinderleber und feuchtem Zellpapier in Glasröhrchen.
    Dann nahm ich mir die Maden vor. Da die wenigen vorhandenen Larven alle von derselben Spezies und frisch geschlüpft zu sein schienen, machte ich mir nicht die Mühe, sie nach Größe zu trennen, sondern nur nach Fundort: Halswunde, Anus, umgebende Erde. Wie schon bei den Eiern kam eine Hälfte zusammen mit Luft, Nahrung und Zellstoff in Glasröhrchen. Die andere kam zuerst in heißes Wasser, dann in eine Alkohollösung.
    Nachdem ich einige der ausgewachsenen Fliegen mit einem Netz eingefangen und verpackt hatte, sammelte ich Exemplare jeder im Umkreis von einem Meter um die Leiche vorhandenen Spezies. Zu meiner Sammlung

Weitere Kostenlose Bücher