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Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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hatten herausziehbare Schütten, wie sie für die Aufbewahrung von Mehl oder Samen verwendet werden.
    Ein Tisch nahm die gesamte Länge der Rückwand ein. Darauf standen eine altmodische Balkenwaage und etwa zwanzig Gläser. Einige enthielten Dinge, die ich kannte. Ingwerwurzeln. Baumrinde. Disteln. In anderen befanden sich dunkle, knorrige Objekte, deren Herkunft ich nur vermuten konnte.
    Vor dem Tisch standen zwei Klappstühle. Und genau in der Mitte zwischen den beiden ein großer eiserner Kessel.
    »Na so was«, sagte Slidell.
    Rechts des Tisches war eine halb geöffnete Tür.
    Slidell ging darauf zu, griff hindurch und taste die Innenwand mit den Fingern ab. Nach wenigen Sekunden erhellte bernsteinfarbenes Licht eine rostfleckige Toilettenschüssel samt Waschbecken.
    Ich ging eben auf das Winzklo zu, als ein Glöckchen bimmelte.
    Ich erstarrte. Wechselte einen Blick mit Slidell. Er deutete mit einer knappen Handbewegung hinter uns.
    Leise bewegten wir uns zur linken Seite der Tür. Slidell hob eine Hand an die Hüfte. Die Rücken an die Wand gedrückt, warteten wir.
    Schritte durchquerten den Laden.
    Der Vorhang schwang zur Seite.

17
    Ich hätte nicht überraschter sein können, wäre Hatschepsuts Mumie aufgetaucht.
    Das Mädchen war jung, mit muskatbrauner Haut und in der Mitte gescheitelten Haaren, die sie hinter die Ohren gesteckt hatte. Nur die Form ihrer Taille war anders als auf dem Schulfoto. Von ihrem Bauchumfang her vermutete ich, dass sie im neunten Monat war.
    Mit wachsamen, argwöhnischen Blicken schaute das Mädchen sich um.
    »¿Está aquí, señor?« Geflüstert.
    Ich hielt den Atem an.
    Ohne den Vorhang loszulassen, machte das Mädchen einen Schritt nach vorne. Das Licht aus dem vorderen Raum ließ die Feuchtigkeit in ihren Haaren glitzern.
    »¿Señor?«
    Slidell ließ die Hand sinken. Nylon raschelte.
    Das Gesicht des Mädchens schnellte in unsere Richtung, die Augen weit aufgerissen. Dann stieß die Kleine den Vorhang beiseite und stürzte davon.
    Ohne nachzudenken, stürmte ich an Slidell vorbei und rannte durch den Laden. Als ich die Regale hinter mir hatte, war das Mädchen bereits zur Tür hinaus.
    Noch immer prasselte der Regen herab und lief über den Bürgersteig. Mit gesenktem Kopf raste ich hinter meinem Ziel her, bei jedem Schritt spritzte Wasser von meinen Turnschuhen hoch.
    Ich hatte einen Vorteil. Ich war nicht schwanger. Bei der Pizzeria war ich bereits so dicht hinter ihr, dass ich mit einem Satz das Sweatshirt der jungen Frau zu fassen bekam. Die griff hinter sich und schlug mit ihren Knöcheln auf mein Handgelenk.
    Es tat verdammt weh. Ich ließ nicht los.
    »Wir wollen nur reden«, rief ich durch den Wolkenbruch.

    Sie ließ von meiner Hand ab und zerrte an ihrem Reißverschluss.
    »Bitte.«
    »Lassen Sie mich in Ruhe!« Sie versuchte, ihr Sweatshirt abzuschütteln.
    Hinter mir hörte ich Platschen.
    »Jetzt mal ganz ruhig, junge Dame.« Slidell klang wie ein Walross.
    Sie schlug immer verzweifelter um sich. Das Wasser aus ihren Haaren spritzte mir ins Gesicht.
    »Lassen Sie mich los. Sie haben kein –«
    Slidell drehte die junge Frau um und drückte ihr die Arme an die Flanken.
    Sie trat nach hinten aus. Ihr Absatz traf sein Schienbein.
    »Du blö-«
    »Sie ist schwanger«, schrie ich.
    »Sagen Sie das meinem Schienbein.«
    »Alles okay«, sagte ich in besänftigendem Tonfall, wie ich hoffte. »Sie sind nicht in Schwierigkeiten.«
    Sie starrte mich mit Wut in den Augen an.
    Ich lächelte und hielt ihrem Blick stand.
    Sie wand sich und trat aus.
    »Deine Entscheidung«, keuchte Slidell. »Entweder wir machen das hier zivilisiert, oder ich leg dir Handschellen an und bring dich aufs Revier.«
    Nun beruhigte sich die junge Frau, dachte offensichtlich über ihre Möglichkeiten nach. Dann ließ sie die Schultern sinken und ballte die Fäuste.
    »Gut. Ich lasse dich jetzt los, und du machst keine Dummheiten. «
    Einen Augenblick standen wir nur da und atmeten keuchend. Dann ließ Slidell sie los und trat einen Schritt zurück.
    »So. Jetzt gehen wir ganz ruhig und gefasst zu meinem Auto.«
    Die junge Frau richtete sich auf und streckte verächtlich das
Kinn vor. In der Höhlung ihrer Kehle sah ich ein kleines, goldenes Kreuz. Darunter pochte eine Ader.
    »Sind wir alle auf derselben Wellenlänge?«, fragte Slidell.
    »Wenn’s dich anmacht«, sagte sie.
    Slidell fasste sie wieder am Arm und bedeutete mir, ihnen zu folgen. Ich tat es und sah zu, wie Tropfen den Teich zu meinen

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