Der Tod kommt wie gerufen
uns ihnen gegenüber.
Slidell sagte Finney, dass das Verhör aufgenommen werde.
Finney schaute seinen Anwalt an. Charlie nickte und sagte ihm, er solle beginnen.
»Die Highschool war die reinste Hölle für mich. Mein einziger Freund war ein Mädchen namens Donna Scott. Eine Einzelgängerin, wie ich. Eine Außenseiterin. Donna und ich kamen zusammen, weil uns nichts anderes übrig blieb, weil wir von den anderen ausgegrenzt wurden und wegen unseres gemeinsamen Interesses an Videospielen. Wir verbrachten beide sehr viel Zeit online.«
»Lebt diese Donna Scott in Charlotte?«
»Ihre Familie zog im Sommer vor unserem Abschlussjahr nach L.A. Zu der Zeit kam sie mit dem Plan daher.« Finney schaute auf
seine Hände hinunter. »Donna hatte die Idee von dem Videospiel GraveGrab. Ist ein ziemlich miserables Spiel, aber sie mochte es, und deshalb spielten wir es. Im Grunde genommen geht’s darum, dass man auf einem Friedhof herumläuft und in Gräbern buddelt und dabei versucht, nicht von Zombies getötet zu werden.«
»Wie sah Donnas Plan aus?«, fragte ich.
»Dass wir etwas aus einem Grab stehlen. Ich dachte nicht, dass wir es tatsächlich durchziehen würden, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass ein Ausflug auf einen Friedhof eine Sause sein würde.« Finney atmete tief ein und stieß die Luft durch die Nase wieder aus. »Donna stand auf die Gothic-Szene. Ich nicht, aber ich war gern mit ihr zusammen.«
»Haben Sie den Plan ausgeführt?«
Finney nickte. »Donna war ganz aufregt wegen des Umzugs, wusste aber, dass ich deswegen deprimiert war. Sie meinte, wir sollten aufteilen, was immer wir stehlen würden; sie würde die eine Hälfte behalten und ich die andere. Sie wissen schon, der alte Trick, wenn Leute eine Nachricht schreiben oder eine Karte zeichnen und dann in zwei Hälften reißen. Wenn man sich später wiedertrifft, fügt man die zwei Hälften zusammen. Donna meinte, so würden wir spirituell in Verbindung bleiben.«
»Was für ein Friedhof?«, fragte Slidell.
»Elmwood Cemetery.«
»Wann?«
»Vor sieben Jahren. Im August.«
»Erzählen Sie.«
»Donna hatte Elmwood ausgesucht, weil da angeblich irgendein alter Westernstar begraben liegen soll.«
»Randolph Scott?«, vermutete ich.
»Ja. Da sie auch Scott hieß, fand sie es cool, sich was von ihm zu besorgen.«
Randolph Scott war männlich, weiß und zum Zeitpunkt seines Todes neunundachtzig Jahre alt. Das passte nicht zu meinem Profil einer jungen Schwarzen.
»Hatten Sie Erfolg?«, fragte ich.
»Nein. Wir trafen uns für eine Mitternachtsvorstellung der Rocky Horror Picture Show und gingen dann zum Elmwood. Das Tor war offen. Donna hatte eine Taschenlampe dabei, ich eine Brechstange.«
Finneys Blick wanderte zu seinem Anwalt. Charlie nickte.
»Wir suchten nach Siechst Grab, konnten es aber nicht finden. Schließlich stolperten wir über eine oberirdische Gruft, in einer ganz anderen Abteilung, wo es nicht so viele große, prächtige Grabsteine gab. Sah aus wie ein Ding, wo man uns nicht entdecken würde. Die Angeln waren verrostet. Ich musste mit der Brechstange nur ein paar Mal kräftig drücken.«
»War irgendwo ein Name eingraviert?«, fragte ich.
»Ich kann mich nicht erinnern. Es war dunkel. Auf jeden Fall gingen wir hinein, stemmten einen Sarg auf, schnappten uns einen Schädel und einen Unterkiefer und ein paar andere Knochen und machten uns aus dem Staub. Um ehrlich zu sein, mir war die ganze Sache inzwischen ziemlich unheimlich, ich wollte einfach nur weg. Donna meinte, ich sei ein Weichei. Sie war total begeistert. «
»Nur damit ich das richtig verstehe. Sie behaupten, Sie hätten den Unterkiefer behalten und Donna den Rest?«
Finney nickte als Antwort auf Slidells Frage.
»Wie kam Cuervo an die Knochen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Haben Sie Adresse und Telefonnummer dieser Donna?«
»Nein. Ihre Familie zog bald danach um. Sie sagte, sie würde mal schreiben oder anrufen, hat es aber nie getan.«
»Sie haben Sie nie wiedergesehen oder mit ihr geredet?«
Finney schüttelte betrübt den Kopf.
»Wer ist ihr Vater?«
»Birch. Birch Alexander Scott.«
Slidell notierte sich den Namen. Unterstrich ihn zweimal.
»Sonst noch was?«
»Nein.«
Schweigen füllte den winzigen Raum. Finney durchbrach es.
»Sehen Sie. Ich war ein verwirrter Junge. Vor vier Jahren entdeckte ich dann Wicca. Zum ersten Mal werde ich akzeptiert. Die Leute mögen mich, so wie ich bin. Ich bin jetzt ein anderer.«
»Klar doch«, sagte Slidell.
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