Der Tod kommt wie gerufen
ich nach oben.
Ein winziges Windspiel baumelte an einem Haken, der in das oberste Brett des Regals geschraubt war. Die Muschelschalen hingen an Fäden, die an einem rosafarbenen Keramikvogel befestigt waren.
Katy sagte etwas, das mein Hirn nicht registrierte. Ich starrte gebannt einen Gegenstand an, der hinter den klimpernden Schalen kaum zu sehen war.
»Tschüss, meine Süße. Und viel Spaß.«
Ich steckte das Handy in die Tasche, zog einen Stuhl zum Regal, stieg hinauf und griff in das oberste Regalfach.
19
Kaum atmend, ging ich in Gedanken eine Checkliste durch.
Der Unterkiefer hatte weder Schneide- noch Eckzähne. Die Weisheitszähne waren nur zum Teil durchgebrochen. Sämtliche Zähne zeigten nur minimale Abnutzung. Der Knochen war solide und teebraun verfärbt.
Jedes Detail passte zu dem unterkieferlosen Schädel aus der Greenleaf.
In der Küche erklärte Finney eben die Entstehung eines Scripts für ein Videospiel. Slidell sah aus, als hätte er ungeklärtes Abwasser verschluckt.
Beide drehten sich um, als sie die Tür hörten.
Wortlos legte ich den Unterkiefer auf den Tisch und klatschte LaVeys Bücher daneben.
Finney schaute mich an, und Röte stieg ihm vom Kragen hoch.
»Haben Sie einen Durchsuchungsbeschluss für mein Haus?«
»Das alles war auf Ihrem Bücherregal deutlich einsehbar«, sagte ich.
»Sie haben uns hereingebeten«, blaffte Slidell. »Wir brauchen keinen Durchsuchungsbeschluss.«
»Sind das Ihre Bücher?«, fragte Slidell.
»Ich bemühe mich, auch andere Blickwinkel zu verstehen.«
»Sicher doch.«
»Ich werde noch eine vollständige Untersuchung anstellen«, sagte ich. »Aber ich bin mir sicher, dass dieser Unterkiefer zu dem Schädel aus T-Bird Cuervos Keller gehört.«
Finney senkte den Blick, doch ich sah das Unterlid zittern.
»Also, Arschloch, wollen Sie mir jetzt erklären, warum dieser Unterkiefer in Ihrer Hütte ist, obwohl Sie doch Cuervo oder sein kleines Gruselkabinett an der Greenleaf nicht kennen?«
Finney schaute hoch und kreuzte Slidells Blick.
»Wissen Sie, was ich glaube?« Slidell wartete die Antwort auf seine Frage gar nicht erst ab. »Ich glaube, dass Sie und Ihre Kumpels bei einem Ihrer Spinnerrituale ein Mädchen umgebracht haben und seinen Schädel und seine Beinknochen aufgehoben haben, um eure kranken Spielchen damit zu treiben.«
»Was? Nein!«
Slidell ging zum Tisch und beugte sich zu Finneys Ohr hinunter, als wollte er ihm etwas Vertrauliches mitteilen. »Du bist dran, Arschloch.«
»Nein!« Hoch und quengelnd, eher der Schrei eines Teenagermädchens als der eines erwachsenen Mannes. »Ich will einen Anwalt. «
Slidell riss Finney in die Höhe, drehte ihn um und legte ihm Handschellen an. »Keine Sorge. In dieser Stadt gibt’s mehr Anwälte als Alligatoren in den Everglades.«
»Das ist Nötigung.«
Slidell las Finney seine Rechte vor.
Auf der Fahrt in die Stadt saß Finney mit gesenktem Kopf, hängenden Schultern und hinter dem Rücken gefesselten Händen da.
Slidell rief Rinaldi an, berichtete ihm von dem Unterkiefer und Finneys Verhaftung. Rinaldi berichtete, dass seine Ermittlungen gute Ergebnisse brachten.
Ich bat Slidell, mich auf dem Weg zur Zentrale bei meinem Auto abzusetzen. Vor Cuervos Laden bot sich uns ein unerfreulicher Anblick. Allison Stallings stand davor und drückte das Gesicht an die Scheibe, ihre digitale Nikon in einer Hand.
»Na, wenn die nicht grade noch gefehlt hat.«
Slidell drückte die Tür mit der Schulter auf, wuchtete sich aus dem Auto und ging über die Straße. Ich ließ mein Fenster herunter. Finney hob den Kopf und schaute interessiert zu.
»Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun?«
»Recherchieren.« Grinsend hielt Stallings ihre Kamera auf Slidell und drückte auf den Auslöser.
Slidell versuchte, ihr die Kamera wegzureißen. Stallings hob sie, schoss ein Foto des Taurus und steckte sie dann in ihren Rucksack.
»Bleiben Sie bloß von meinem Auto und meinem Gefangenen weg«, brüllte Slidell.
»Fahren wir«, rief ich, obwohl ich wusste, dass es bereits zu spät war.
Stallings lief schnurstracks auf den Taurus zu, bückte sich und spähte in den Fond. Slidell stürmte, das Gesicht kirschrot, hinter ihr her.
Bevor ich reagieren konnte, beugte sich Finney zu meinem offenen Fenster und rief: »Ich bin Asa Finney. Ich habe nichts Unrechtes getan. Lassen Sie die Öffentlichkeit das wissen. Das ist religiöse Verfolgung.«
Ich drückte auf den Knopf. Finney rief weiter, während das
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