Der Tod kommt wie gerufen
Lieblingsbeschäftigungen gehört, habe ich dabei immer gern Gesellschaft. Wenn ich alleine bin, esse ich mit Birdie und vor dem Fernseher.
Aber das Baoding ist eine Wochenendtradition im Südosten von Charlotte. An einem Sonntagabend sehe ich dort immer Gesichter, die ich kenne.
Dieser Abend war keine Ausnahme.
Nur leider waren es keine Gesichter, die ich, nun ja, sehen wollte.
Martinis sind eine Spezialität des Baoding, vor allem für die, die auf etwas zum Mitnehmen warten. Nicht sehr chinesisch, aber na ja.
Als ich eintrat, saß Pete an der Bar und redete mit einer Frau rechts von ihm. Beide tranken, wie ich annahm, Apfelmartinis.
Ich wollte eben kehrtmachen.
Zu spät.
»Tempe. Hey. Hier drüben.«
Pete sprang von seinem Hocker und fing mich ab, bevor ich fliehen konnte.
»Du musst Summer kennenlernen.«
»Das ist kein guter –«
Mit einem Strahlen im Gesicht zerrte Pete mich durchs Restaurant.
Summer hatte sich umgedreht und schaute jetzt in unsere Richtung.
Es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Summer war hyperblond, mit Brüsten wie Wasserbälle und viel zu wenig Bluse, um sie unterzubringen. Als Pete uns einander vorstellte, legte sie ihm besitzergreifend die Hand auf den Arm.
Ich gratulierte ihnen zu ihrer Verlobung.
Summer dankte mir. Kühl.
Pete strahlte weiter, ohne etwas von dem Temperatursturz mitzubekommen.
Ich fragte, wie sie mit den Heiratsplänen vorankämen.
Summer zuckte die Achseln, spießte mit einem Plastikstäbchen eine Olive auf.
Zum Glück kam in diesem Augenblick ihre Bestellung.
Summer sprang von ihrem Hocker wie ein Schachtelteufelchen. Sie schnappte sich die Tüte, murmelte »Hat mich gefreut« und eilte, einen Fahne von Fleur-de-irgendwas hinter sich herziehend, zur Tür.
»Sie ist nervös«, sagte Pete.
»Offensichtlich«, sagte ich.
»Alles okay mit dir?«, fragte Pete. »Du siehst müde aus.«
»Gestern wurde Rinaldi erschossen.«
Petes Brauen machten diese verwirrende Sache, die sie immer machen.
»Eddie Rinaldi. Slidells Partner.«
»Dieser Polizistenmord, der jetzt durch die Medien geht?«
Ich nickte.
»Du kanntest Rinaldi schon lange?«
»Ja.«
»Du warst dabei?«
»Ja.«
»Scheiße, Tempe, das tut mir wirklich leid.«
»Danke.«
»Du kommst damit zurecht?«
»Ja.« Ich schaffte nur einsilbige Antworten.
Pete nahm meine Hand. »Ich rufe dich an.«
Ich nickte und zwang mich zu einem Grinsen, weil ich Angst hatte, dass Reden den Schmerz, der in meiner Brust noch immer spürbar war, wieder hochkochen lassen würde.
»Das ist meine Tempe. Lässt sich durch nichts unterkriegen.«
Pete küsste mich auf die Wange. Dann war er verschwunden.
Ich stützte mich auf die Lehne von Summers leerem Hocker und schloss die Augen. Hinter mir summten Gespräche. Fröhliche Gäste, die die Gesellschaft anderer genossen.
Meine Nase registrierte Sesamöl, Knoblauch und Sojasauce, Gerüche aus einer glücklichen Zeit, als Pete, Katy und ich Sonntagabende im Baoding verbracht hatten.
Die letzten Tage waren einfach überwältigend gewesen. Rinaldi. Katy. Der Chef. Boyce Lingo. Takeela Freeman. Jimmy Klapec. Susan Redmon. Jetzt Pete und Summer.
Ich spürte ein Zittern in der Brust.
Atmete einmal tief durch.
»Du wartest auf was zum Mitnehmen?« Die Stimme war direkt neben meinem Ohr.
Ich öffnete die Augen. Charlie Hunt beugte sich über mich, sein Gesicht dicht an meinem.
»Darf ich dir ein Perrier ausgeben?«
Was ich jetzt tat, werde ich mein Leben lang bedauern.
»Du darfst mir einen Martini ausgeben«, sagte ich.
23
An den Rest dieser Nacht kann ich mich nicht erinnern und auch vom folgenden Montag weiß ich kaum noch etwas. Mit Charlie streiten. Auto fahren. Sachen in einen Einkaufswagen werfen. Mit einem Korkenzieher kämpfen. Ansonsten waren sechsunddreißig Stunden meines Lebens verschwunden.
Am Dienstagmorgen wachte ich alleine in meinem Bett auf. Obwohl die Sonne eben erst über den Horizont gestiegen war, sah ich bereits, dass es ein klarer Tag werden würde. Wind raschelte in den Magnolienblättern vor meinem Fenster und drehte einige um, so dass die blassen Unterseiten neben dem Dunkelgrün der anderen zu sehen waren.
Die Jeans, die ich am Sonntag getragen hatte, lag in einem Haufen an der Sockelleiste. Das T-Shirt und die Unterwäsche hingen an einer Stuhllehne. Ich trug ein Sweatshirt.
Birdie betrachtete mich unter der Kommode hervor.
Unten plärrte der Fernseher.
Ich setzte mich auf und stellte vorsichtig die Füße
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