Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
gehört. Meistens jedenfalls.
In aller Form möchte ich mich von Hundebesitzerkollegen und -kolleginnen abgrenzen, die ihren Kötern nur dümmlich grinsend nachblicken, wenn diese auf Ball spielende Kleinkinder zustürzen. Wenn dann die Mutter das Kind aus Angst vor Gesichtsverstümmelung in die Höhe reißt und sich zudem erdreistet, ihrem Schrecken und Ärger Luft zu machen, wird nicht selten verständnislos mit dem Kopf geschüttelt und süffisant weitergegrinst. Der will doch nur spielen, weiß man ja. Ich hörte kürzlich: «Der will doch nur hallo sagen.» Der Spruch war mir neu. Die Frage, ob allerdings das vor Todesangst kreischende Zweijährige auch unbedingt hallo sagen wollte, beantwortet sich ein wenig von selbst.
Da aber konsequente Konsequenz nicht zu meinen liebsten Hobbys zählt und ich zunehmend von Berlusconis Röcheln und Dauerziehen an der Leine genervt bin, lasse ich ihn an diesem Samstagmorgen einfach einmal frei laufen. Ich blicke mich um, niemand ist in der Nähe, da geht das doch auch mal.
Grün. Überall grün, der Vogelsberg zeigt sich von seiner schönsten Seite, die Sonne trägt ihren bescheidenen Teil dazu bei, und unzählige Vögel singen heitere Liedchen. Federleicht federe ich über den Waldboden, meine Stimmung ist gut. Noch immer wirkt die SMS nach, die ich heute früh erhielt: Frau Dr. Ellen Murnau wird bald wieder mit beiden Augen sehen können. Die Operation hatte Erfolg. Sie wird noch drei Tage in der Klinik «zur Beobachtung», wie es so schön heißt, bleiben müssen, ehe sie dann schon wieder nach Hause kann. Um einen Personenschutz werden wir nicht herumkommen, denke ich, als ein Vogelschiss vom Himmel fällt und ich von weitem ein Muuhh höre. Es sei denn, wir fassen die Drecksau schon vorher.
Die glasklare Mittelgebirgsluft trübe ich mit Zigarettenrauch, da sehe ich Berlusconi wie von der Tarantel und vom Hafer gleichzeitig gestochen in Höchstgeschwindigkeit wegrasen. Mein Schrei BERLUSCOOOOONI verhallt wirkungslos in den Wäldern. Scheiße, Drecksvieh, bleib hier.
Kurz darauf höre ich eine Frauenstimme: «Hilfe, nein, weg da, pfui …»
«Halloooo», rufe ich.
«Hier bin ich», kommt es zurück. Dann: «Geh weg da, geh weg da, oh nein …»
Auf einem Feldweg, der am Waldesrand entlang verläuft, sehe ich durch ein paar abgestorbene Fichten eine Frau, die verzweifelt versucht, zwei Hunde auseinanderzuhalten. Einer von beiden ist Berlusconi.
Ich stolpere durchs Geäst und rufe: «Bin gleich da, Entschuldigung!»
So schlimm, kann es nicht sein, denke ich. Berlusconi ist völlig harmlos und friedfertig und kommt mit allen anderen Hunden gut klar.
Zu gut, bemerke ich, als ich keuchend am Ort des Geschehens eintreffe und Berlusconi mit irre weit aufgerissenen Augen intensiv am Hinterteil einer zugegebenermaßen entzückenden Hündin herumjuckeln sehe.
Scheiße.
«Oh nein, oh nein, oh nein», schreit die Dame verzweifelt. «Frieda ist läufig.»
«Berlusconi, nein», brülle ich. Doch es ist zu spät. Der andere Berlusconi da unten in Italien würde vor Neid erblassen. Mein Hund ist fest in Frida verankert, die sich ihm ihrerseits bereitwillig zur Verfügung stellt. Würde ich nun versuchen, Berlusconi herauszuziehen, könnte erstens Frieda verletzt und ich zweitens vom eigenen Hund gebissen werden.
«Das kann doch wohl nicht wahr sein», schreit die hagere Mittfünfzigerin mit der Allzweckhose mich an. «Warum haben Sie verdammt noch mal Ihren Hund nicht angeleint?»
«Ich kann mich wirklich nur entschuldigen», stottere ich auch etwas unter Schock. «Normalerweise leine ich ihn immer an.»
Ist auch nicht wirklich tröstlich für das Frieda-Frauchen.
«Da fällt mir wirklich nichts mehr ein», kreischt sie weiter. «Mein Gott, dann lassen Sie ihn doch kastrieren, wenn Sie ihn schon frei laufen lassen wollen. Der ist sofort über meine arme Frieda hergefallen, obwohl ich sie an der Leine hatte.»
Die beiden Hunde geben seltsame Laute von sich. Es bleibt mir nun nichts anderes mehr übrig, als diesem Schauspiel bis zum Finale beizuwohnen und mich berechtigterweise beschimpfen zu lassen.
Der aufgebrachten Dame nun vorzuwerfen, dass sie ihre Frieda doch auch hätte kastrieren lassen können, bringt jetzt wohl nichts.
«Eins sage ich Ihnen», droht sie nun mit etwas gedämpfterer Stimme, «das wird ein Nachspiel haben.»
Ich presse wieder einige nutzlose Entschuldigungenfloskeln heraus, da es das Einzige ist, was ich tun kann.
«Oh Gottogottogott»,
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