Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
nicke. «Glaubt ihr die Vorwürfe, dass Frau Murnau Affären mit Schülern hat?»
«Keine Ahnung. Mir doch egal.»
Adrian kehrt mit Bierflasche zurück und öffnet sie mit den Zähnen. Melina giggelt. Ich nicht.
«Außerdem erzählt man sich, dass die Murnau groß aussieben will», fährt Melina fort.
«Wie meinst du das?» Auch ich nehme einen Schluck aus meiner Radlerflasche, die ich allerdings mit einem handelsüblichen Flaschenöffner geöffnet habe.
«Nur die Guten überleben», bemerkt Adrian. «Sie will nur noch Topschüler. Alle anderen fliegen. Was glauben Sie, warum Melina so Schwierigkeiten hat?»
Das liegt daran, dass sie strutzefaul ist. Nur daran. Ich denke an Stefanie Assmanns Schwärmereien über Ellen Murnaus Schulphilosophie. Das hat mit dem, was ich hier höre, rein gar nichts zu tun.
Melinas Ton verschärft sich. «Und ich bin auch net die Einzige. Total viele haben abgekackt. Die Murnau will nur die Streber in der Schule haben.»
«Denken das viele bei euch?», frage ich.
«Das denken alle! Nur halt nicht die Streber.»
«Das heißt, viele eurer Mitschüler sind sauer auf Dr. Murnau?»
«Ei klar! Weil die ja auch allen Lehrern gesagt hat, dass sie schlechtere Noten geben sollen.»
«Hat sie das? Wer behauptet das? Dohmknecht?»
Ich blicke zu Adrian, der lautstark auf Erdnussflips herumkaut.
«Ja», antwortet er kurz und kratzt sich dabei so am Bauch, dass sein T-Shirt nach oben rutscht und Vater wie Tochter sein tolles Sixpack bewundern können.
«Ich bitte euch jetzt um eins. Und das hat überhaupt nichts mit Petzen oder Verrat oder sonst was zu tun.» Ich mache eine kurze Pause, um meinen Gesichtsausdruck noch wichtiger zur Geltung kommen zu lassen.
«Ihr wisst, dass wir einen schmächtigen Jungen suchen. Vermutlich in deinem Alter, Melina. Bitte geht mal in euch und überlegt, wer da im weitesten Sinne in Frage kommen könnte. Wer einen besonderen Hass auf Frau Murnau haben könnte. Und wenn ihr Ideen habt, bitte ich euch eindringlich, sie mir mitzuteilen. O.k.?»
Melina nickt missmutig. Adrian, der inzwischen auch Flasche zwei geleert hat, sagt: «Sorry, Herr Bröhmann, ich geh in die Zwölf. Ich hab mit den Kindern aus der Mittelstufe nicht wirklich was zu tun.»
Während er zu einem Grinsen ansetzt, fällt ihm beim Blick in Melinas Gesicht selber auf, was er sich da gerade für einen schwerwiegenden Fauxpas erlaubt hat. Beleidigt springt meine Mittelstufentochter vom Tisch auf und verschwindet mit dramatischen Schritten ins Haus. Adrian trottet ihr gebeugt hinterher. Ich kichere leise vor mich hin und stopfe den Rest der Erdnussflips in mich hinein.
Als Franziska mit Laurin heimkehrt, sitze ich an meinem Schreibtisch und sortiere die ganzen Notizen, die ich mir nach den Gesprächen der letzten Tage gemacht habe. Mit unzähligen Lehrkräften habe ich gestern in der Schule gesprochen. Die Aussagen über Ellen Murnau bleiben äußerst widersprüchlich. Es scheint tatsächlich, so wie es Stefanie angedeutet hat, zwei Lager zu geben. Der junge Vertrauenslehrer Thorsten Roth beispielsweise steht eng an der Seite seiner Schulleiterin. Er bezeichnete Bernhard Dohmknecht als verbitterten frustrierten Menschen, der einen persönlichen Kreuzzug gegen Murnau führe und ihr eindeutig schaden wolle. Dohmknecht selbst war äußerst kurz angebunden und wies jegliche Vorwürfe, er habe Gerüchte gestreut, kategorisch und beleidigt zurück. Ob es denn nicht mehr erlaubt sei, andere Auffassungen über Schulpädagogik als die Direktorin zu hegen, moserte er. Es gehe ihm nur um die Sache, denn auch ihm liege die Schule am Herzen. Von wegen; Dohmknecht decke die Trinkerei des Lehrers Munker, so Thorsten Roth. Alle würden es wissen, doch Dohmknecht drohe allen, die Ludger Munker Alkoholmissbrauch während der Schulzeit vorwerfen, mit einer Anzeige wegen übler Nachrede.
Von den Schülern kam nichts. Wie auch, wenn sie nur im Klassenverbund befragt werden. Hier kommen wir nur über Einzelgespräche weiter. Doch wo anfangen?
Ellen Murnaus Exmann spukt mir durch den Kopf. Wenn der kein Motiv hat, sich an seiner Ellen zu rächen, wer dann? Nur sieht er vermutlich nicht aus wie ein Jugendlicher. Wen also kann er angestiftet haben? Ich notiere mir, dass wir überprüfen müssen, ob er irgendwelche Schüler in der Vogelsbergschule kennt.
Dann stürmt Laurin ins Arbeitszimmer und wirft mir seinen neuen Strandball gegen den Kopf. «Hey», gebe ich mich empört und kitzle ihn dann nach allen der
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