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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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schlang die Arme um sie beide. Mit dem Kartoffelschäler in der Hand stand ich allein mitten in der Küche, und niemand beachtete die Tränen, die mir über das Gesicht rannen.
    Gerade als wir uns zu einem Abendessen hinsetzten, auf das niemand Appetit hatte, besuchte uns Officer Davis noch einmal. Mein Vater war an die Tür gegangen und kam mit ihm zusammen zurück auf die Veranda.
    “Es tut mir leid, Sie zu stören”, sagte Officer Davis, “doch ich muss noch einmal mit Julie sprechen.”
    Mein Vater nickte mir wortlos zu.
    Ich stand auf und ging mit meinem Vater und dem Officer hinaus in den Garten. Daddy und ich setzten uns wieder auf die Deckchairs, und dieses Mal nahm auch Officer Davis Platz. Er zog seinen Stuhl dicht an den meinen und beugte sich vor, die Ellenbogen auf den Knien und die Hände locker verschränkt.
    “Wir haben Bruno Walker gefunden”, berichtete er.
    Ich war voller Hass auf Bruno. Ich erinnerte mich daran, wie er gestern in Richtung Brücke geschaut hatte und wie ich gehofft hatte, meine Schwester würde sich von seinen hübschen Augen angezogen fühlen.
    “Wo haben Sie ihn gefunden?”, fragte mein Vater.
    “In Ortley Beach”, antwortete der Officer.
    “Hat er gestanden?”
    Davis schüttelte den Kopf. “Er sagte, dass er mit Freunden in einem gemieteten Ferienhaus gewesen sei und sich gegen ein Uhr früh verabschiedet hätte, um nach Hause zu gehen. Wir haben einige seiner Freunde einzeln befragt, und sie alle haben seine Geschichte bestätigt.
    “Was für ein Mist”, fluchte mein Vater.
    Officer Davis sah mich eindringlich an. “Erzähl mir noch einmal, was vor sich ging, als du Bruno gesagt hast, dass deine Schwester um Mitternacht auf der Plattform sein würde. Wo warst du, als du ihm das erzählt hast?”
    “Auf der anderen Seite des Kanals”, erwiderte ich.
    “Mit deiner Freundin.” Der Officer nickte. “Wie ist ihr Name?”
    “Wanda Lewis.”
    “Sie sind nicht wirklich befreundet”, gab mein Vater zu verstehen, und ich wusste, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war, um mich mit ihm zu streiten.
    “Wer war noch da?”, fragte der Officer weiter. “War noch irgendjemand da, der dein Gespräch mit Mr. Walker mit angehört hat?”
    Du führst nichts Gutes im Schilde, Mädchen.
    “George war da”, erinnerte ich mich. “Wandas Bruder. Ihre anderen Verwandten waren auch da, doch sie standen weiter weg –” Ich deutete hinüber zu der Stelle, wo Salena und die Männer geangelt hatten. “Sie waren nicht nah genug, um uns zu hören.”
    “Aber dieser George schon”, sagte der Officer.
    Ich nickte. Plötzlich begriff ich, worauf das Ganze hinauslief.
    “George würde niemandem etwas antun”, verteidigte ich meinen farbigen Freund.
    “Warum fragen Sie sie nach diesem … George?” Mein Vater sprach Georges Namen aus, als ob er von einem Gegenstand und nicht von einer Person redete.
    “Mr. Walker behauptet, dass Mr. Lewis sehr aufmerksam gewirkt hätte, als Julie sagte, dass Isabel allein auf der Plattform sein würde.”
    “Bruno versucht nur, die Schuld auf jemand anders abzuwälzen”, behauptete ich, doch mein Herz wurde schwer. Ich erinnerte mich an die gelegentlichen anerkennenden Kommentare, die George über meine Schwester gemacht hatte, und an die merkwürdige Art, wie er meinen Vater angesehen hatte, als der mich nach Hause geholt hatte.
    “Nun, das mag sein”, lenkte Officer Davis ein. “Dennoch müssen wir auch mit Mr. Lewis sprechen. Weißt du, wo wir ihn finden können?”
    Ich schüttelte den Kopf. “Ich habe keine Telefonnummer, Adresse oder so etwas. Aber ich glaube, sie wohnen in der South Street. Und wenn gutes Wetter ist, werden sie morgen früh vermutlich wieder auf der anderen Seite des Kanals sein. Aber ich weiß, dass er es nicht getan hat.”
    “Das weißt du nicht, Julie”, wies mich mein Vater zurecht. “Du kennst diese Leute nicht wirklich. Du weißt nicht, wozu dieser Junge fähig ist.”
    “Er ist nett zu mir”, sagte ich, doch das machte meinen Vater nur noch wütender.
    “Siehst du, so etwas geschieht, wenn du mir nicht gehorchst”, ärgerte er sich, und ich nahm an, dass er recht hatte.
    In jener Nacht konnte ich nicht schlafen. Mit Lucy, die weinerlich und in sich gekehrt war, ging ich schon früh hinauf auf den Dachboden und wollte auch nicht mehr hinunter. Ich weinte noch immer – wir alle weinten. Immer wenn ich dachte, dass es nun gut wäre, dass ich mich im Griff hätte, schluchzte ich auf einmal wieder

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