Der Tod meiner Schwester
los.
In Gedanken ging ich die vorherige Nacht immer wieder durch, um zu prüfen, ob ich irgendetwas hätte anders machen und den Tod meiner Schwester verhindern können. Ich erinnerte mich, wie ich aus dem Dachbodenfenster hinaus auf den dunklen Kanal gesehen hatte. Wenn ich das Haus doch nur früher verlassen hätte! Hätte das einen Unterschied gemacht? Und was, wenn ich meine Idee in die Tat umgesetzt und Ned mitgenommen hätte? Dann wären wir mit seinem Boot gefahren und hätten die Plattform sicher erreicht, auch wenn wir vielleicht zu spät gekommen wären.
Plötzlich setzte ich mich kerzengerade auf. Ich erinnerte mich daran, wie ich hinüber zum Haus der Chapmans gelaufen war, um an ihre Tür zu klopfen, und gesehen hatte, dass alles dunkel war. Ich erinnerte mich daran, zum Kanal geschaut und die leeren Deckchairs gesehen zu haben. Und dann fiel mir die Befragung Neds durch die Polizisten am Nachmittag ein und wie Ned zu Boden geblickt hatte, als sein Vater sagte, sie hätten gemeinsam im Garten den Meteoritenschauer betrachtet. Hatte Mr. Chapman für seinen Sohn ein Alibi erfunden?
Ein Schauer rann mir über den Rücken.
Oh Ned
, dachte ich.
Warum?
39. KAPITEL
J ulie
1962
Am nächsten Morgen erwachte ich mit neuer Entschlossenheit und einem Plan: Ich musste meine eigenen Ermittlungen anstellen. Die Fakten, die ich kannte, passten nicht zueinander. Ich würde der Polizei von meinem Verdacht gegen Ned erzählen, doch nicht, bevor ich überprüft hatte, welche anderen Beweise ich zusammentragen könnte. Sosehr mir der Gedanke auch widerstrebte, dass George der Mörder meiner Schwester sein könnte, mochte ich noch dreimal weniger daran denken, dass es Ned war. Dennoch würde ich objektiv sein, so unparteiisch, wie ich nur sein konnte, wenn ich meine Beweise sammelte.
Es erleichterte mich, etwas zu tun zu haben, das mein Gefühl der Hilflosigkeit linderte und es mir gleichzeitig erlaubte, meiner Familie aus dem Weg zu gehen. Ich verließ das Haus frühmorgens und ging in Gedanken versunken in Richtung Strand. Es ergab keinen Sinn, dass Ned mich gebeten hatte, Isabel auszurichten, dass er sie abends nicht treffen könne. Wie hätte er sonst davon ausgehen können, sie auf der Plattform zu finden? Meine Frage wurde nur wenige Minuten später beantwortet.
Ich war in der Nähe von Mitzis Zuhause, als ich bemerkte, dass sie vor dem Haus gerade den Wagen ihrer Eltern wusch. Sie versuchte sich vor mir auf der anderen Seite des Wagens zu verstecken, begriff aber, dass ich sie schon gesehen hatte. Ich bemerkte das resignierte Achselzucken, als ich auf sie zukam.
“Hallo, Mitzi”, begrüßte ich sie, als ich die kurze Auffahrt hochging.
“Hallo, Julie.” Sie hielt mit dem Schwamm in der Hand inne. Fast tat sie mir leid, weil sie sich so unwohl zu fühlen schien. “Geht es dir gut?”, fragte sie. “Was ist mit deiner Mutter und deiner Großmutter?”
“Völlig durcheinander”, sagte ich. “Hat die Polizei mit dir gesprochen?”
“Sie haben angerufen, fragten aber nur, um wie viel Uhr Izzy an dem Abend von mir wegging.”
“Wann ist sie denn gegangen?”
“Halb zwölf.” Sie wrang den Schwamm aus. Ihre Hände waren genauso pummelig wie der ganze Rest an ihr. “Sie wollte zu … Du weißt ja schon, dass sie Ned immer um Mitternacht traf.”
“Ja.”
“Er war ganz schön sauer auf dich, weil du Izzy nicht ausgerichtet hattest, dass er nicht kommen kann. Selbst als er es doch konnte. Obwohl er es eigentlich nicht konnte.” Sie lachte, wurde aber gleich wieder ernst, als sie sich an den Anlass des Gesprächs erinnerte.
“Was meinst du damit?”, wunderte ich mich. “Was meinst du damit, dass er konnte und dann nicht konnte?”
“Er rief sie hier bei mir an, um ihr zu sagen, dass er sie nun vielleicht doch treffen könne”, erklärte Mitzi. “Da erfuhr er dann auch, dass du es ihr nicht ausgerichtet hattest. Izzy war ebenfalls sauer auf dich. Wie auch immer, er sagte jedenfalls, dass er sie vielleicht treffen könne, er sei nicht sicher, doch er würde es versuchen. Doch er kam nicht raus. Ist das nicht unglaublich? Dass ausgerechnet in der einen Nacht, in der er nicht raus durfte, dieser schwarze Junge da war? Was für ein Scheißpech. Du musst –” Sie schüttelte den Kopf. “Ich wette, du könntest diesen Typen umbringen, wenn du ihn in die Finger bekommen würdest.”
“Richtig”, sagte ich. Es war am einfachsten, ihr zuzustimmen, doch in meinem Kopf drehte sich alles. Diese
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