Der Tod meiner Schwester
Alter waren, meinst du nicht?”
Ich wandte das Gesicht ab. Er hatte recht.
“Tu mir den Gefallen”, bat er. “Tu mal so, als ob ich recht hätte mit Isabel und Ned. Dann müssten du und ich einen Weg finden, diese Beziehung zu beenden. Darin stimmst du mir doch zu, oder?”
Ich hatte den ganzen Frühsommer damit verbracht, sicherzustellen, dass Izzy und Ned nicht zusammen waren, und bis zu diesem Gespräch hatte ich geglaubt, dass mir das gelungen war. Doch nun stand ich vor einem anderen Problem: Ich wollte keinesfalls zugeben, dass Isabel unter Umständen ein Kind von Ross und mir war. Zu neunzig Prozent war ich mir sicher, dass Charles sie gezeugt hatte, doch die fehlenden zehn Prozent trieben mich um.
“Ich stimme zu”, erklärte ich. “Wegen der winzigen,
winzigen
Möglichkeit, dass … du weißt. Aber das ist irrelevant, weil ich sicher bin, dass sie ihn nicht trifft. Ich würde davon wissen. Ich würde –”
“Würdest du bitte
aufwachen
, Maria?” Er stand auf. Seine Stimme wurde laut, während er wild herumgestikulierte. “Sie sieht Charles kein bisschen ähnlich.”
“Sie sieht auch dir nicht ähnlich”, entgegnete ich. “Sie kommt nach mir.”
“Sie hat das Kinn und die Wangenknochen meiner Mutter”, behauptete Ross.
“Ach, hör doch auf.” Ich überspielte mein Unbehagen mit einem Lachen. “Warum gehst du nicht nach Hause und –”
“Ich werde meinem Sohn
nicht
erlauben, seine Schwester zu vögeln!”, schrie er mit rotem Gesicht.
Ich wurde wütend. “Raus”, befahl ich. Ich ging über die Veranda zur Fliegengittertür. “Scher dich hier sofort raus.”
Er starrte mich einen Augenblick an und ging dann an mir vorbei. “Du kannst bloß hoffen, dass sie nicht schwanger wird”, sagte er eindringlich.
Kaum war er fort, atmete ich tief durch und fuhr mir mit der Hand über die Augen, als ich plötzlich ein Geräusch auf dem Dachboden hörte. Ich erstarrte. Schritte erklangen auf der Treppe, und als ich mich umdrehte, sah ich Isabel. Die Stufen bebten und knarzten, als sie sie hinuntereilte. Ich schlug die Hand vor den Mund.
“Worüber habt ihr da gesprochen?”, rief sie und sprang die letzten zwei Stufen hinunter.
“Izzy.”
Ich bemühte mich, ganz normal zu klingen, als ob alles nur Schall und Rauch wäre. “Ich dachte, du wärst mit Mitzi und Pam unterwegs.”
“Ich hatte Kopfschmerzen, auch wenn dich das nichts angeht”, fuhr sie mich an. Ihre Augen glühten. Sie sah Ross
absolut nicht
ähnlich.
Nicht ein bisschen
. “Was hat Mr. Chapman damit gemeint, dass ich Neds Schwester wäre?”, wollte sie wissen.
Ich versuchte, überrascht zu wirken. “Was?”, wich ich aus. “Ich glaube, du musst ihn da missverstanden haben, Liebes.”
“Wie könnte ich denn seine Schwester sein?”, stocherte sie.
Meine Stimme versagte. Isabel schüttelte den Kopf, als sie allmählich begriff. “Du Flittchen”, sagte sie verächtlich. “Du warst mit Dad verheiratet und hast mit Mr. Chapman geschlafen, stimmt’s?” Sie schlug die Hand vor den Mund, als ob ihr übel sei. “Oh Gott”, entfuhr es ihr. “Du bist abscheulich.”
Ich hatte keine Worte mehr in mir, um es abzuleugnen oder zu erklären. “Ich habe einen Fehler gemacht, Isabel”, gestand ich. “Doch ich bin so sicher, wie man nur sein kann, dass du Daddys Kind bist. Du brauchst dir deshalb keine Sorgen zu machen.”
“Ach, und ist das der Grund, warum du die ganze Zeit versuchst, mich von Ned fernzuhalten?” Ihre Augen schwammen in Tränen. Ich wollte sie in den Arm nehmen, doch ich wusste, dass sie es nicht zulassen würde.
“Du und Ned seid zu jung für eine ernsthafte Beziehung”, versuchte ich ihr klarzumachen.
Sie blickte mich aus hasserfüllten Augen an. “Ich kann es kaum erwarten, Daddy davon zu erzählen”, drohte sie. “Du bist nichts als eine Hure, Mutter. Und ausgerechnet du stellst all diese Regeln auf, denen ich gehorchen soll. Du bist eine Witzfigur.” Sie wandte sich um und rannte den Flur entlang zur Haustür und hinaus.
Ich stand wie erstarrt in der aufgeladenen Stille und presste die Hände vor meinem Körper zusammen. Es würde Charles zerstören, wenn sie es ihm sagte, und umgekehrt würde es auch mich zerstören. Charles würde sich niemals von mir scheiden lassen, doch unsere Ehe wäre für ewig die Hölle. Aber ich musste diese Gedanken beiseiteschieben. In diesem Augenblick musste ich mich um die Gemütslage meines Kindes kümmern.
Ich ging hinaus auf die Straße, wo ich
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