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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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innehielt. “Ich muss euch Mädchen etwas erzählen. Es ist … Ich hatte gehofft, niemandem je davon erzählen zu müssen. Es ist etwas, das ich zutiefst bereue. Doch nun muss es heraus. Ihr müsst davon wissen.”
    “Wovon sprichst du?”, wunderte sich Lucy.
    Ich blickte auf den Zettel in meinem Schoß, berührte das Papier, das meine Isabel einst berührt hatte, und wusste, dass meine Augen feucht waren, als ich wieder meine Töchter anschaute.
    “Ich war mit Mr. … mit Ross Chapman nicht nur befreundet, als wir Kinder waren”, begann ich. “Wir waren auch als Teenager zusammen.”
    “Tatsächlich?”, fragte Julie.
    “Tatsächlich”, wiederholte ich. “Doch seine Familie lehnte mich ab, weil ich zur Hälfte Italienerin war, sodass wir uns jahrelang heimlich treffen mussten.”
    “Wie Ned und Isabel”, bemerkte Lucy.
    “Warst du in ihn verliebt?”, wollte Julie von mir wissen.
    Ich nickte. “Eine Zeit lang ja. Und ich war immer … Ich fühlte mich immer von ihm angezogen.” Mir war unbehaglich zumute. Ich hatte mit Julie und Lucy noch nie über solche Dinge gesprochen. “Aber ich wusste, dass er schwach war, weil er seine Eltern bestimmen ließ, wen er treffen durfte”, fuhr ich fort. Einen Moment lang verlor ich mich in meinen Erinnerungen, doch meine Töchter warteten geduldig, bis ich wieder aus meinen Gedanken auftauchte.
    “Ich habe euren Vater 1944 geheiratet. Doch in jenem Sommer hatte ich … hatte ich Kontakt zu Ross.”
    “Ach, Mom.” Ich hörte mehr Mitgefühl als Verurteilung in Lucys Stimme.
    “Es war vielleicht das, was man heute Date Rape nennt”, sagte ich. “Wie das, was Ethans Tochter zustieß. Ich weiß es nicht.” Ich zuckte die Achseln. “Ich war zuerst einverstanden und begriff dann, was ich da tat … was wir taten … und sagte ihm, er solle aufhören, doch das tat er nicht. Ich schäme mich so, euch das zu sagen”, gestand ich und war nicht in der Lage, ihnen in die Augen zu sehen.
    “Aber Mommy.” Julie stand auf und setzte sich neben mich. Ich war gerührt, dass sie mich “Mommy” genannt hatte und ihr der Kosename ganz spontan entschlüpft war. Sie legte mir die Hand auf die Schulter, was sich ein bisschen merkwürdig, aber auch schön anfühlte. “Du warst jung”, lenkte sie ein. “Solche Dinge geschehen. Du musst dich dafür nicht schämen.”
    “Dennoch tue ich es”, entgegnete ich. “Das Schreckliche ist, dass ich ein paar Monate später, als ich schwanger war, nicht sicher sein konnte, ob das Baby von eurem Vater oder von Ross war.”
    Ich bemerkte, wie meine Töchter sich anstarrten, als ob ihnen die Bedeutung der Worte allmählich klar wurde.
    “Isabel könnte Mr. Chapmans Tochter gewesen sein?”, sprach Lucy ihren Verdacht aus.
    “Ich weiß es nicht.” Ich hob die Schultern. “Ich war mir niemals sicher. Euer Vater und ich … na ja, wir schliefen damals fast jedes Wochenende miteinander, und mit Ross war ich nur einmal zusammen. Dennoch war ich niemals sicher, wessen Kind in mir heranwuchs.”
    Isabel wurde im April geboren. Sie war blond gewesen, wie Ross, doch Charles hatte sich nichts dabei gedacht. Für ihn war sie sein kleiner Engel, während ich befürchtete, sie könnte der Beweis meiner Sünde sein. Als wir sie Ende Juni mit nach Bay Head Shores nahmen, warf Ross nur einen Blick auf sie, rechnete im Kopf nach und ging davon aus, dass sie sein Kind war. Ich sah es in seinen Augen.
    “Sie hatte helles Haar, als sie geboren wurde”, fuhr ich fort. “Aber ihr wisst, wie dunkel sie im Lauf der Jahre wurde. Außerdem hatte sie die gerade Nase eures Vaters. Dennoch war ich niemals wirklich sicher.”
    “Kein Wunder, dass du Ned und Izzy voneinander fernhalten wolltest!”, rief Julie. “Du Ärmste. Das muss so schrecklich für dich gewesen sein.” Sanft rieb sie mit der Hand über meine Schulter. Es fühlte sich tröstlich an.
    “Konntest du mit irgendjemandem darüber reden, Mom?”, fragte Lucy. “Mit einer deiner Freundinnen?”
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste, dass Lucy einen solchen Mangel an Vertrauen unerträglich fand. Sie
musste
einfach mit Leuten über das sprechen, was sie beschäftigte. Wenn sie einen Pickel bekam, würde sie sich eine Pickel-Selbsthilfegruppe suchen. Doch mir war es damals nur wichtig gewesen,
nicht
darüber zu reden. Ich musste meine Untreue unbedingt für mich behalten.
    Lucy stand auf und setzte sich auf der anderen Seite zu mir aufs Sofa. “Ich bin so froh, dass du es uns jetzt

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