Der Tod meiner Schwester
um Mitternacht am Strand traf. Ich verbat es ihm an jenem Abend, doch ich hörte ein Telefongespräch mit, in dem er ihr sagte, dass er sich vielleicht doch hinausschleichen könne. Ich sah dies als Möglichkeit, mit ihr allein zu sprechen. Ich hämmerte Ned noch einmal ein, dass er nicht rausdürfe. Dann ging ich los, um sie selbst zu treffen. Bitte glaub mir, dass ich keinerlei Absicht hatte, Isabel zu töten. Ich wollte nur unter vier Augen mit ihr sprechen, um ihr das Gespräch mit ihrem Vater auszureden. Ich fand sie auf der Plattform. Es war sehr dunkel, und ich vermute, dass sie mich für Ned hielt, als ich hinüberschwamm. Sie war wütend, als sie entdeckte, dass ich es war. Sie wollte ins Wasser springen, um mir zu entkommen, doch ich hielt sie am Arm fest und wir rangen miteinander. Vermutlich hörte ihre Schwester da ihren Hilfeschrei, auch wenn ich mich nicht an alle Einzelheiten erinnere. Ich weiß nur, dass wir miteinander rangen und sie ins Wasser fiel. Ich habe sie nicht geschubst. Ich hatte keine Ahnung, dass sie sich den Kopf gestoßen und ertrunken war. Ich dachte, sie würde einfach unter Wasser schwimmen, um mir zu entkommen. Erst am nächsten Morgen erfuhr ich, dass sie tot war. Ich sagte der Polizei, dass ich die ganze Nacht mit Ned die Sterne beobachtet hätte, weil ich wusste, dass Ned die Lüge für den Versuch halten würde, ihn zu beschützen. Doch in Wirklichkeit wollte ich mich und meine Karriere beschützen.
Ich habe mit meiner Schuld all die Jahre lang gehadert – nicht nur mit der Schuld an Isabel Bauers Tod, sondern auch mit der Schuld an Neds Verfall in Depressionen und Alkoholismus. Ich bin ziemlich sicher, dass Ned damals die Nachricht von Isabel gefunden hat, weil sie aus der Zigarettenschachtel, in die ich sie gesteckt hatte, plötzlich verschwunden war. Doch er hat nie ein Wort darüber verloren. Ich bin sicher, dass er zwei und zwei zusammengezählt hat und um meine Rolle bei Isabels Tod wusste. Ich fühle mich, als hätte ich sie beide getötet.
Trauere nicht um mich, Ethan. Ich hatte viel mehr Freude in meinem Leben, als ich verdient habe, und viel davon verdanke ich der Tatsache, dass ich zusehen durfte, wie du zu dem geschickten Handwerker, wundervollen Vater und aufrechten Menschen wurdest, der du heute bist. Ich liebe dich.
Dad
47. KAPITEL
M aria
Lucy verließ mich gestern Abend gegen acht, nachdem ich sie davon überzeugt hatte, dass es mir gut ging – was ganz und gar nicht der Wahrheit entsprach. Dann rief mich Julie um halb elf Uhr an. Nur um zu hören, wie es mir ginge, behauptete sie, doch ihre Stimme klang seltsam. Ein bisschen zu munter. Sie sagte, sie würde es heute Morgen nicht zur Kirche schaffen, bat mich aber, nach der Messe zu einem Brunch mit ihr, Lucy und Ethan zu ihr nach Hause zu kommen. Ich nahm die Einladung an. Ich versuchte, mich zu beruhigen und mir zu sagen, dass die Wahrheit früh genug ans Licht kommen würde und ich sowieso nichts daran ändern könnte, doch trotzdem überschlugen sich die Gedanken in meinem Kopf, sodass ich die ganze Nacht kaum ein Auge zutat. Ich wusste, dass etwas bevorstand. Ich war ja keine Idiotin. Ich nahm an, dass Julie mir sagen würde, was ich schon vermutete: Ross Chapman hatte mein Kind ermordet.
In der Predigt an diesem Morgen ging es um Buße.
Ah
, dachte ich,
diese Predigt ist wie maßgeschneidert für mich
. Ich wollte mich voll und ganz auf den Priester konzentrieren, und doch schweiften meine Gedanken ab. Ich war froh, als die Messe vorüber war, und fuhr auf meinem Weg zu Julie sogar bei Gelb über eine Ampel.
Ich kam vor Lucy und Ethan an und ging einfach hinein. Aus der Küche hörte ich Schreien. Erst Shannons Stimme, dann die von Julie. Ich platzte gerade in einen erbitterten Streit hinein. Shannon beschimpfte ihre Mutter mit einem Kraftausdruck, und ich krümmte mich innerlich. Das war kein normaler Streit, dachte ich. Eher ein erbarmungsloser Kampf.
Julie schrie zurück, dass sie Shannon aus ihrer Krankenversicherung streichen lassen würde, wenn sie mit ihrem jungen Mann nach Colorado zog.
“Und glaube ja nicht, dass ich für dein College bezahle, wenn du gehst”, schrie sie. Normalerweise wurde Julie nie laut. Ich merkte, dass sie völlig verzweifelt war und nicht mehr wusste, was sie mit meiner Enkelin anstellen sollte. “Vergiss jegliche finanzielle Unterstützung von mir, und damit Schluss!”, brüllte sie.
Shannon teilte ebenso aus, wie sie einsteckte, nannte ihre Mutter
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