Der Tod meiner Schwester
erzählt hast.”
Ich konnte beider Duft einatmen – den von Lucy mit ihrem Zitronenshampoo und den von Julie mit ihrem leichten Blütenparfum. Nie zuvor hatte ich mich so gefühlt wie in diesem Augenblick – von meinen Töchtern getröstet, unterstützt und verstanden. Ich wusste, dass meine Neuigkeiten sie schockiert hatten, doch sie machten mir keinen Vorwurf. Ich liebte meine Mädchen.
Ich nahm jeweils eine ihrer Hände in die meinen und führte sie an meine Lippen.
“Danke, ihr Lieben”, sagte ich. “Doch da ist noch etwas, das ihr wissen müsst.”
* * *
1962
Der Sommer, in dem Isabel starb, wurde aus naheliegenden Gründen der schlimmste Sommer meines Lebens. Doch selbst vor ihrem Tod war ich schon sehr beunruhigt gewesen. Isabel war im Lauf der Jahre schwierig geworden. Ich wusste, dass sie nur das normale Verhalten einer Heranwachsenden zeigte, doch ich hatte Schwierigkeiten, damit umzugehen. Ich machte mir so viele Sorgen um sie, dass ich zu streng zu ihr war und sie wie ein eingesperrtes Tier auf mich losging. Ich hatte vor allem Angst, dass ihr Verhältnis zu Ned zu eng wurde. Ich betete jede Nacht darum, dass sie nicht Bruder und Schwester waren, und in meinem Innersten fühlte ich, dass sie es nicht waren. Dennoch bestand die Möglichkeit, und ich hielt es für meine Pflicht, sie voneinander fernzuhalten. Doch je mehr ich mich darum bemühte, desto mehr bekämpfte mich Izzy.
Am Abend vor Isabels Tod gingen meine Eltern mit Julie und Lucy zur Promenade; Charles war bereits Richtung Westfield unterwegs. Ich dachte, ich hörte ein Klopfen an der Fliegengittertür der Veranda, als ich gerade abwusch. Ich drehte das Wasser ab, um zu lauschen.
“Maria?”
Ich erkannte die Stimme sofort. Ich hörte sie immer nur an den Tagen, wenn Ross mit seinen Söhnen oder seiner Frau im Garten war, doch ich erkannte sie trotzdem.
Ich trocknete meine Hände am Geschirrtuch ab und ging dann durchs Wohnzimmer auf die Veranda. Ross stand draußen, das Gesicht dicht am Fliegengitter und die Hand über den Augen, um in unseren Bungalow zu spähen.
“Hallo, Ross”, sagte ich und blieb ein Stück vor der Tür stehen.
“Kann ich hereinkommen?”, fragte er. “Ich muss mit dir sprechen.”
Ich stieß die Fliegengittertür auf, und er trat auf die Veranda. Im Nachhinein denke ich, dass ich mit ihm in den Garten hätte gehen sollen. Alles wäre vielleicht ganz anders gekommen, wenn ich ihn nicht hereingelassen hätte.
Ross wirkte nervös, jedenfalls so nervös, wie der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs eben wirken kann.
“Ich sah, dass deine Eltern mit den Mädchen fortgegangen sind”, meinte er.
“Sie sind zur Promenade.”
“Ist Isabel mit ihnen gegangen?” Er blickte hinter meine Schulter, als ob sie dort stehen könnte.
“Nein”, erwiderte ich. “Sie ist mit ihren Freundinnen unterwegs.”
Er sah erleichtert aus. “Gut. Ich muss mit dir sprechen.”
“Ja, das erwähntest du bereits.” Ich stand mit vor der Brust verschränkten Armen da und machte sicher einen etwas ungeduldigen Eindruck.
Er spähte über die Veranda zu seinem Haus hinüber. “Können wir hineingehen?”, bat er leise.
Ich folgte seinem Blick. Ich bemerkte keine Bewegung auf der Veranda der Chapmans, doch offensichtlich wollte er mir das, was er zu sagen hatte, unter vier Augen mitteilen. Ich gab nach. “Komm ins Wohnzimmer”, sagte ich.
Er folgte mir ins Haus, setzte sich in den Korbschaukelstuhl und rieb sich das Kinn. Ich blieb lieber gegen einen der Polstersessel gelehnt stehen, statt mich hinzusetzen. Ich wollte nicht, dass dieses Gespräch lange dauerte.
“Hör zu”, begann er. “Ich bin sicher, dass Ned und Isabel auf … romantische Weise verkehren.”
Meinte er damit, dass sie Sex hatten? “Das glaube ich nicht”, entgegnete ich.
“Du steckst den Kopf in den Sand”, warf er mir vor. “Sie und Ned verbringen mehr Zeit miteinander, als du weißt. Mehr als
ich
wusste. Ethan sagte mir, dass sie sich nachts rausschleichen, um zusammen zu sein.”
Mein Herz schien stillzustehen. “Vielleicht will Ethan seinen großen Bruder nur in Schwierigkeiten bringen”, vermutete ich. “Ich weiß immer, wo Isabel hingeht und mit wem sie zusammen ist, und sie hält sich immer an ihre Ausgangssperre.” Das war Blödsinn, doch ich würde ihn nicht wissen lassen, dass ich die Kontrolle über meine Tochter verloren hatte.
Ross lächelte mich an. “Deine und meine Eltern hätten das Gleiche gesagt, als wir in dem
Weitere Kostenlose Bücher