Der Tod meiner Schwester
Krankenhaus an und sagte meine Schicht ab, während ich mich in meinem Schlafzimmer umzog.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, saßen beide in den Armsesseln neben dem Sofa und blickten so ernst, dass mir das Herz bis zum Hals schlug. Ich setzte mich aufs Sofa und faltete die Hände im Schoß.
“Nun”, fing ich an. “Was ist los?”
“Wir müssen mit dir über Isabels Tod reden”, sagte Lucy.
“Will die Polizei jetzt mich befragen?”
“Nein”, erwiderte Julie. “Aber Lucy und ich haben eine Entdeckung gemacht, von der du wissen solltest. Wir wollten, dass du es zuerst von uns hörst und nicht von der Polizei.”
Ich wollte mich so ruhig und gelassen wie möglich geben, doch meine Hände arbeiteten ruhelos in meinem Schoß.
Julie griff in ihre Handtasche und holte eine Art Spielzeugfigur heraus.
“Was ist das?” Ich beugte mich vor, und Julie hielt die Figur hoch, damit ich sie besser sehen konnte. “Ist das eine Giraffe?”
“Ja.” Julie ließ die rot und lila gefärbte Figur wieder sinken. “Lucy und ich waren gestern Abend im Haus von Ethan, und wir sprachen über die Leute, die jetzt in unserem Bungalow wohnen.”
Ich verspürte bei der Erwähnung unseres alten Sommerhauses einen scharfen Stich in der Brust.
“Kannst du dich an meine Nancy-Drew-Büchse erinnern?”, fragte Julie. “Die alte Brotbüchse, in die ich alle gefundenen Beweisstücke hineinlegte?”
Brotbüchse? Ich wusste nicht, wovon sie sprach.
“Ich erinnere mich, dass du immer Beweisstücke gesammelt hast”, meinte ich. “Das war, als wir in Westfield wohnten. Hast du sie unten an der Küste auch gesammelt?”
“Ja”, bestätigte Julie. “Grandpop fand eine alte Brotbüchse für mich, in die ich sie hineintun konnte, und vergrub sie für mich im Garten.”
“Daran kann ich mich nicht erinnern”, entgegnete ich.
“Nun, ich hielt das auch geheim”, erklärte Julie. “Aber wie auch immer. Als wir die Leute besuchten, die jetzt in dem Haus wohnen, fragte ich, ob ich die Büchse ausgraben dürfe. Und dann fanden wir diese Giraffe darin. Aber ich glaube nicht, dass ich sie jemals selbst dort hineingelegt habe.”
Ich hatte das Gefühl, als müsste ich den Sinn eines verzwickten Rätsels verstehen. “Und?”
“Na ja, so geht sie auseinander.” Julie machte irgendwas mit dem Schwanz der Giraffe, und die Figur zerfiel in zwei Teile. “Ned und Isabel tauschten sie immer aus, mit Botschaften darin.”
“Oh”, sagte ich mehr zu mir selbst als zu meinen Töchtern. Ich hatte mich so sehr bemüht, diese zwei Kinder, Isabel und Ned, voneinander fernzuhalten, und bis zum Ende hatte ich geglaubt, es sei mir gelungen.
“Wir haben eine Nachricht darin gefunden.” Julie holte ein gefaltetes Stück Papier aus der Giraffe. “Soll ich vorlesen, oder möchtest du selber lesen?”
Ich streckte die Hand aus. “Ich will es sehen.”
Sie schien mir den Zettel nur widerstrebend geben zu wollen, doch nach kurzem Zögern stand sie auf und reichte ihn mir. Ich faltete ihn auseinander und glättete ihn auf meinem Schoß, bevor ich die Brille gerade rückte, damit ich die verblasste Schrift entziffern konnte.
“Oh”
, sagte ich wieder, diesmal allerdings voller Schmerz, weil ich die mädchenhafte Schrift Isabels erkannte. Dann las ich die Worte, und Entsetzen erfüllte mich.
Oh, mein Gott
.
“Es tut mir leid, Mom”, flüsterte Julie. “Ich weiß, es ist schmerzhaft, das zu lesen.”
“Wir vermuten, dass dies Isabels letzte Botschaft für Ned war”, erklärte Lucy. “Vieleicht hat Ned die Giraffe in Julies Kiste gelegt, weil er hoffte, dass sie hineinsehen würde, bevor wir abfuhren. Er musste wissen, dass sie sie zur Polizei bringen würde, die dann vielleicht begriff, dass Isabel wütend auf ihn gewesen war und dass er sie vermutlich –”
“Still”, schnitt ich ihr das Wort ab und schloss die Augen.
Im Raum war es so ruhig, dass ich meinen eigenen Atem hörte.
“Möchtest du lieber nicht darüber sprechen, Mom?”, fragte Julie sanft. Weder sie noch Lucy konnten den Grund für meine Qual verstehen. Ich würde ihnen von Dingen erzählen müssen, die ich für mich hatte behalten wollen.
Ich öffnete wieder die Augen und sah erst Julie und dann Lucy an.
“Ich bin so sicher, wie man es nur sein kann, dass diese Nachricht nicht für Ned Chapman bestimmt war”, behauptete ich.
“Ach, Mom”, widersprach Julie. “Ich bin sicher, dass er es war. Ich bin sicher –”
Ich hob die Hand, damit sie
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