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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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fuhr in das Dock zwischen dem Platz der Lewis und der Hütte des Hahnen-Mannes. Das Dock war mir schon fast so vertraut wie unser eigenes. Ich dachte noch immer daran, wie Mr. Chapman mich gegenüber meinem Vater verteidigt hatte. Ich hatte den Respekt des Vorsitzenden Richters von New Jersey. Ich vergötterte meinen Vater, doch in dieser Sache hatte er unrecht.
    George stand am Dock über meinem Boot.
    “Kannst du mich und Wanda hinüber zum Fluss bringen?” Er deutete in Richtung Manasquan River.
    “Was?” Ich war nicht sicher, was er meinte.
    “Wir fangen hier heute nichts”, behauptete er. “Doch ein Typ sagte uns, dass sie beim Fluss anbeißen.”
    Wanda erschien an seiner Seite. “Salena sagt, wir dürfen hin, wenn du uns hinfährst.”
    Salena ist verrückt, dachte ich. Sah sie denn nicht, wie stark die Strömung heute war? Mir war es verboten, mit dem Boot zum Fluss zu fahren, der sich eineinhalb Meilen nördlich unseres Hauses befand. Ich durfte nicht einmal in diese Richtung fahren. Doch was für ein Abenteuer das wäre! Ich sah hinüber zu unserem Bungalow, dessen Veranda ich kaum sehen konnte, weil die Spundwand sie verdeckte. Aber es war ja sowieso keiner da. Niemand würde es erfahren.
    Ich wandte mich wieder George und Wanda zu. “Okay”, erklärte ich mich einverstanden. Ich beugte mich vor und ergriff eine Sprosse der Leiter, um das Boot dichter an die Dockwand zu ziehen. “Kommt rein”, forderte ich sie auf. “Und bringt ein Netz mit. Ich habe keines.”
    Sie suchten ihre Ausrüstung zusammen und kletterten die Leiter hinunter in unser Boot. Über uns tauchte Salena auf.
    “Seid um eins zurück, hört ihr?”, mahnte sie.
    “Okay.” Ich ließ den Motor an und steuerte in den Kanal, wobei ich mich vergewisserte, dass wir nicht irgendein Boot kreuzten, das womöglich dicht am Ufer fuhr.
    Auf dem Kanal erfasste uns die Strömung, und ich musste die Pinne fest umklammern, um uns auf Kurs zu halten. Als wir an unserem leeren Bungalow vorbeikamen, war ich sehr beschwingt. Vor uns lag die niedrige Lovelandtown Bridge. Mit meinem Großvater und anderen war ich schon darunter durchgesegelt, doch niemals allein und mit diesem Boot hier. Die Strömung war stark, und die eng beieinanderstehenden Brückenpfeiler kamen rasch näher. Das Wasser rauschte wie bei Stromschnellen zwischen ihnen hindurch.
    “Mädchen”, warnte George, “weißt du, was du tust?”
    “Klar!” Ich hielt die Pinne verzweifelt umklammert. Mir fiel ein, dass es nur eine Schwimmweste im Boot gab und keiner von uns sie anhatte.
    Vor uns fuhr ein größeres Boot, und ich wusste, dass seine Bugwelle das Wasser noch mehr aufwühlen würde. Wäre die Strömung nicht so stark gewesen, hätte ich den Motor abgewürgt und die Welle einfach abgewartet, doch ich hatte keine Wahl. Meine verschwitzte Hand ruckelte an der Pinne hin und her, als wir unter der Brücke hindurchsteuerten. Eine große Welle erhob sich vor uns. Wir wurden hoch und kurz darauf nach unten geschleudert, als schon eine zweite Welle auf uns zukam. Vielleicht hatte ich aufgeschrien. Mit Sicherheit schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel. Ich hatte genug Zeit, um über die Sünde nachzudenken, die ich gerade beging, und darüber, welch passende Strafe der Tod sein würde. Die Welle brach vorne am Boot, sodass wir klitschnass wurden. Das Salzwasser spritzte mir in Augen und Mund, sodass ich einen Moment nicht sicher war, ob wir uns auf oder unter der Wasseroberfläche befanden. Ich weiß nicht, wie ich die Kontrolle über das Boot behielt, doch ich muss sehr vertrauensvoll gewirkt haben, denn George und Wanda kreischten vor Spaß, als ob wir in einer sicheren Achterbahn säßen.
    Wir schafften es. Mein Herz schlug bis zum Hals, als wir in das ruhigere Wasser jenseits der Brücke kamen. Nach dem, was wir gerade erlebt hatten, wirkte die Strömung längst nicht mehr so einschüchternd. Ich freute mich nicht gerade auf die einzige andere Brücke, unter der wir noch durchfahren mussten, doch wie sich herausstellte, war das Wasser dort nicht so aufgewühlt. Die Entfernung zwischen dem größeren Boot und uns war inzwischen groß genug, dass seine Bugwelle nicht zum Problem wurde, was meine Passagiere allerdings zu enttäuschen schien.
    Die Strömung trug uns in das offene Wasser des Manasquan River hinaus. Ich steuerte sofort Richtung Westen, weil ich Angst hatte, dass George vorschlagen könnte, Richtung Osten und dann aufs offene Meer hinauszufahren. Ich hatte genug

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