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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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gerettet wurden und ich meinen Eltern erklären musste, was ich mit den farbigen Menschen, die ich nicht besuchen durfte, ausgerechnet an dem Fluss machte, zu dem ich nicht allein fahren durfte. Mir stockte fast der Atem.
    “Was ist los damit?” Wanda warf mir einen verständnislosen Blick zu.
    “Hey, ist das da nicht der Freund deiner Schwester?” George sah durch das Fernglas in Richtung Kanal.
    “Wo?”, fragte ich.
    “In dem Boot.” George hielt das Fernglas ganz ruhig, als er nach rechts zeigte. Ich drehte mich in die Richtung und sah mehrere Boote, doch aus der Entfernung konnte ich nicht erkennen, wer darin saß. “Ich bin mir fast sicher, dass er es ist”, sagte George. “Aber ich habe Neuigkeiten. Neben ihm sitzt nicht deine Schwester.”
    Ich vergaß unser dahintreibendes Boot für einen Augenblick. “Lass mich sehen!” Er nahm das Fernglas ab und reichte es mir. “Wo?” Ich versuchte, die Brennweite richtig einzustellen.
    “Ich kann es dir nicht genau sagen”, antwortete George. “Ohne das Fernglas sehen die Boote wie kleine Flecken aus.”
    “Wir werden direkt aufs Meer hinausgetrieben, wenn du den Motor nicht anbekommst”, warnte Wanda.
    Sie hatte recht. Ich hängte mir das Fernglas um und zog noch einmal an der Schnur. Wieder spuckte der Motor und erstarb.
    “Was ist los damit?”, fragte Wanda wieder.
    “Ich weiß es nicht.” Manchmal musste ich zwei- oder dreimal ziehen, um den Motor in Gang zu bringen, doch so viel Mühe hatte ich noch nie gehabt.
    “Lass mich mal”, sagte George.
    Wir tauschten unsere Plätze, sodass er neben dem Motor stand. Er nahm die Schnur und zog sie so rasch zurück, dass sein Arm nur noch ein Schatten war. Sofort sprang der Motor an, was mich schließlich aufatmen ließ. Als wir in Richtung Kanal fuhren, kehrten meine Gedanken jedoch zu dem Boot zurück, das George durch das Fernglas gesehen hatte.
    “Bist du sicher, dass es Ned war?”, wollte ich wissen.
    “Ich glaube, dass es der weiße Junge war, den du mir an dem einen Tag gezeigt hast”, meinte er. “Der Freund deiner Schwester.”
    Damals hatte ich Ned durch das Fernglas erspäht und ihn George und Wanda gezeigt.
    “Und wer war bei ihm?”, hakte ich nach. “Wie hat sie ausgesehen?”
    “Ich konnte sie nicht so gut erkennen. Aber gut genug, um sagen zu können, dass sie klasse aussah. Eine Blondine mit einem langen Pferdeschwanz.”
    “Pam Durant?”, fragte ich mit hoher Stimme. “Trug sie den Pferdeschwanz an der
Seite
des Kopfes? Und waren noch andere dabei?”
    “Mädchen, mach dir nicht gleich in die Hosen.” George lachte. “Vielleicht haben sie einfach nur so als Freunde einen Ausflug gemacht. So wie wir.”
    Wir fuhren den Kanal zurück, wobei die Strömung zu meiner Erleichterung nur noch schwach war, sodass die Brücken viel einfacher zu passieren waren. Ich steuerte in das Dock, wo ihre Cousins angelten und wo Salena und einer der Männer sofort zu uns kamen und unseren Fang bewunderten. Ich legte ein paar Fische aus meinem Eimer in den ihren. George sah mich verwundert an und schien dann zu begreifen.
    “Sag deinen Leuten einfach, dass es ein guter Angeltag am Kanal war”, riet er mir und schob den größten Barsch zurück in meinen Eimer.
    Ich tuckerte auf die andere Seite und machte das Boot fest. Als ich mit dem Fischeimer die Leiter hochkletterte, dachte ich unwillkürlich, dass ich ein richtiges Abenteuer zwar zu schätzen wusste, einen Tag wie diesen aber nur ein- oder zweimal im Monat ertragen könnte. Dafür war es zu oft zu heikel gewesen. Mein Schutzengel musste gut auf mich aufgepasst haben.
    Erleichtert stellte ich fest, dass noch niemand zu Hause war. Ich holte den Schaber und ein Messer aus der Küche und ging zu dem alten Tisch neben dem Haus, um den Fisch zu säubern. Es dauerte ziemlich lange, und als ich fertig war und den Stapel der ausgenommenen Fische sah, wusste ich, dass ich das meiner Mutter niemals würde erklären können. Sechs ließ ich auf dem Tisch liegen, brachte aber den Rest samt Köpfen, Eingeweiden und Schwänzen zum Kanal, wo ich alles ins Wasser warf.
    Nach dem Abendessen ging ich mit der kleinen Baby-Puppe, die ich im Fluss gefunden hatte, hinaus in den Garten. Ich hockte mich an die Ecke des Hauses und grub im Sand, wo ich die Brotbüchse vergraben hatte.
    Ich wollte gerade den Deckel abheben, als er plötzlich in die Luft flog. Ich kreischte und sprang auf die Füße. Dann bemerkte ich die Ursache: Jemand hatte eine große

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