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Der Tod soll auf euch kommen

Der Tod soll auf euch kommen

Titel: Der Tod soll auf euch kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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lebten, für andere tot seien. Ihr lief ein Schauer über den Rücken.
    Warum stieß sie Eadulf und Alchú nur von sich fort? Sie stöhnte innerlich. Eadulf hatte ihr nicht jene Fesseln angelegt,durch die sie sich so eingeengt fühlte. Sie hatte es selbst getan. Sie hatte ihre Idealvorstellung vom Leben im Kopf und auch das Gegenteil davon. Der Widerspruch war nicht außerhalb von ihr zu suchen, er war in ihr.
    Eadulf! Auf einmal begriff sie, daß er immer sehr viel Geduld mit ihr gehabt hatte. Immer wieder hatte er ihre Schwächen akzeptiert und ihre Fähigkeiten anerkannt. Warum hatte sie sich nach ihrem Aufbruch aus Rom so sehr nach ihm gesehnt? Was hatte sie so überstürzt von der iberischen Küste zurück in die fünf Königreiche reisen lassen, als sie damals hörte, Eadulf sei des Mordes angeklagt? Sie war nicht verliebt in ihn, sondern da war etwas unendlich Wahrhaftigeres zwischen ihnen – sie liebte ihn und war auf seine Gesellschaft, seine Klugheit und seine Unterstützung angewiesen. Sie hatte sich nach einer Seelenfreundin gesehnt, nun merkte sie plötzlich, daß sie gar keine brauchte. Was war sie nur für ein Närrin gewesen.
    Doch wo steckte Eadulf jetzt? Und der kleine Alchú?
    Wieder stöhnte sie. Sie weinte, bis sie erschöpft einschlief.
     
    Eadulf hielt die Öllampe hoch und sah sich in seinem Gefängnis um.
    Der Sand unter seinen Füßen war naß. Da lagen ein paar Meeresalgen und zerbrochene Muschelschalen. In einer Ecke bewegte sich etwas. Eine Krabbe hatte sich dorthin zurückgezogen. Grauen und Entsetzen packten Eadulf, als er sich weiter umsah. Die Mauern waren dunkel und feucht, Moos zog sich über die Steine. Eadulf konnte erkennen, wie hoch der Wasserstand bei Flut war, er ging fast bis unter die Decke. Er sah sich die Mauern genauer an. Drei kleine Öffnungen befanden sich darin, aber sie waren winzig – vielleicht paßteein Kopf hinein, hindurchzwängen konnte man sich jedoch nicht. Als er in diese Löcher spähte, hörte er ein Ächzen. Er lauschte einen Moment. Es war das Ächzen der See, die sich irgendwo hinter den Öffnungen befinden mußte. Wieder spähte er in die kleinen Öffnungen und entdeckte am Ende einen Lichtschein.
    Er mußte schlucken.
    Das also hatte Uaman gemeint! Die Flut! Und bei Flut würde das Meerwasser durch diese Öffnungen in sein Verließ fließen. Er würde ertrinken, denn es gab keinen Weg hinaus.
    Auf einmal vernahm er ein anderes Geräusch, ein dumpfes Klopfen. Es schien von oben zu kommen. Mauerstückchen fielen herab. Eine weitere Foltermethode? Da schlug ein schwerer Steinblock auf dem Sand auf.
    Eadulf sah ein schwaches Licht über sich, das nicht von einer Lampe stammte, einen weißlichen Schimmer eher. Etwas bewegte sich durch die Öffnung. Es waren der Kopf und die Schulter eines Mannes.
    »Kairongnothi!«
rief der Mann triumphierend.
    Eadulf regte sich nicht und blickte empor. Der Kopf und die Schultern schoben sich weiter durch die Öffnung.
    »Dos moi pou sto kai ten gen kineso!«
ließ die Männerstimme nun zufrieden verlauten.
    Das war ein Ausspruch von Archimedes. Gib mir einen Ort zum Stehen, und ich werde die Erde bewegen! Der Mann sprach Griechisch.
    »Bleib dort!« rief Eadulf. »Komm nicht weiter, sonst stürzt du herab!«
    Da fiel ihm auf, daß er in seiner Muttersprache geredet hatte. Er versuchte, sich auf das wenige Griechisch zu besinnen,das er aus den heiligen Schriften kannte und wiederholte das Gesagte. Doch inzwischen hatte der Mann über ihm schon die Gefahr erkannt, denn Eadulf hielt seine Lampe hoch und zeigte ihm, daß seine Zelle ganze vier Meter tief war. Der Mann oben stieß eine Reihe von Worten aus, die seine Enttäuschung verrieten. Dann war Stille.
    »Sprichst du Griechisch?« fragte er endlich. »Nur ein paar Worte. Sprichst du die Sprache von Éireannach?«
    »Nein.«
    Dann herrschte wieder Schweigen. Der Mann oben an der Decke betrachtete Eadulf im spärlichen Licht der Öllampe.
    »Wie ich sehe, trägst du die Tonsur Roms. Wie sieht es denn mit Latein aus?« fragte er auf Latein.
    »Das beherrsche ich gut«, erwiderte Eadulf erleichtert.
    »Bist du auch ein Gefangener?« erkundigte sich der Mann nun, wobei er das Wörtchen
auch
betonte.
    »Du bist also ein Gefangener? Ja, ich bin auch ein Gefangener von Uaman, und wahrscheinlich verbleibt mir nicht mehr viel Zeit auf dieser Welt. Man hat mich hier ins Verließ gesteckt, damit ich ertrinke.«
    »Wie das denn?« fragte der Mann.
    »Man hat mir erklärt, bis zur

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