Der Tod soll auf euch kommen
senkte den Kopf. »Verflucht sei der Tag, als ich das Gebirge überquerte und hierherkam.«
»Wo ist Bruder Tanaide denn jetzt? In einer anderen Zelle?«
Basil Nestroios schüttelte den Kopf.
»Der Böse hat ihn töten lassen.« In seiner Stimme schwangen Wut und Trauer mit.
Eadulf lief ein Schauer über den Rücken.
»Einer seiner Krieger hat einfach sein Schwert in ihn gerammt und ihn oben vom Turm ins Meer geworfen. Er war schon tot, als er ins Wasser eintauchte«, fuhr Basil Nestorios fort.
»Aber warum nur? Warum, wo du ihn doch heilen solltest? Warum ließ er deinen Begleiter ermorden und dich einsperren? Das begreife ich nicht.«
»Du mußt Folgendes wissen. Der Zerfall seiner Haut spiegelt den Zerfall seiner Seele wider. Er ist durch und durch böse. Er verfügt über keinerlei Wesenszüge, die ihm Erlösung bringen könnten.«
»Also hat er dich nur am Leben gelassen, damit du ihn kurierst? Behandelst du ihn denn?«
»Ich verlängere mein Leben, das ist alles. Zweimal am Tag werde ich aus der Zelle geholt, um ihm die Medizin zuzubereiten und sie ihm dann zu verabreichen. Soweit ich das beurteilen kann, ist seine Krankheit nicht mehr heilbar, sowohl was seinen Körper betrifft als auch seine schwarze Seele, die ihn ständig auf Rache sinnen läßt an jedem, der sich ihm in den Weg stellt.«
Eadulf rieb sich nachdenklich das Kinn. »Zweimal am Tag? Wann ist das?«
»Dir fällt gerade etwas ein, mein Freund. Was ist es?«
»Ist dir nie in den Sinn gekommen, deine Fähigkeiten für deine Flucht zu nutzen?«
»Ich bin mir nicht sicher, was du meinst.«
»Ganz einfach. Was heilen kann, kann auch töten.«
Basil Nestorios schreckte zurück. »In meiner Kultur, mein Freund, darf ein Arzt niemandem etwas zuleide tun. Vor vielen Jahrhunderten lebte auf der Insel Kos ein Arzt namens Hippokrates, der als Vater der Heilkunst gilt. Er ließ seineSchüler einen Eid leisten, niemals ihr Wissen gegen den Menschen einzusetzen. Wir leisten diesen Eid in Jundishapur bis heute.«
»Also würdest du lieber unter ihm leiden und ihm gestatten, viele andere unschuldige Menschen zugrunde zu richten, anstatt es zu verhindern?«
Basil Nestorios hob hilflos die Hände.
»Was bleibt mir anders übrig? Dieser Eid gilt immer und überall.«
»Wann wirst du zur nächsten Behandlung geholt?« fragte Eadulf noch einmal.
Der Arzt blickte aus dem Fenster, um festzustellen, wie spät es war. Der Himmel wurde schon dunkel, zu dieser Jahreszeit hieß das, daß es Nachmittag war.
»Bald wird die Flut einsetzen. Der Wächter kann jederzeit hier auftauchen. Ich habe mehrere Tage lang überprüft, ob sie die Zeiten einhalten.«
»Wenn du Uaman nicht vergiften willst, kannst du ihm doch zumindest einen Trank verabreichen, der ihn bewußtlos macht, oder?«
»Das könnte ich tun. Aber es dauert eine Weile, bis der Trank Wirkung zeigt. Bis dahin hat man mich längst wieder hier eingesperrt. Was dann?«
»Ich werde hinter der Tür stehen, wenn der Krieger dich zurückschafft. Bring ihn dazu, die Zelle zu betreten … Ich weiß … Ich werde den Stein sichtbar vor der Pritsche liegen lassen, und falls er ihn noch immer nicht sieht, mußt du ihn darauf aufmerksam machen. Dann kann ich ihn von hinten anfallen.«
»Möglicherweise ist der Trank auch bis dahin wirkungslos geblieben«, erklärte Basil Nestorios. Zögernd sagte er schließlich: »Ich könnte die Dosis erhöhen. Wenn ich darüber nachdenke,ist es besser, sobald wie möglich von hier zu verschwinden.« Er seufzte verärgert. »Doch wenn die Wache kommt und mich zur Behandlung abholt, werden sie dich entdecken.«
Eadulf schüttelte den Kopf und zeigte zum Tunnel.
»Ich werde dort hineinkriechen und die Steinplatte nur locker darüberschieben, so daß ich mich mit den Händen am Rand der Öffnung festhalten kann. Meine Beine werden dann in meine Zelle hinabbaumeln. Deine Pritsche steht über der Platte und der Wächter wird mit ein wenig Glück nicht erkennen, daß sie nicht richtig liegt.«
Basil Nestorios machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Das könnte klappen. Doch selbst wenn wir mit dem einen Krieger fertig werden, so heißt das noch nicht, daß wir den anderen fünf entkommen können.«
»Alles zu seiner Zeit«, erwiderte Eadulf. »Wie willst du Uaman bewußtlos machen? Hast du etwas
gafann
?«
Der Arzt schaute verwirrt drein, denn Eadulf war nur der Begriff eingefallen, den man in den fünf Königreichen benutzte.
»Henbane«, sagte Eadulf nun, während er
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