Der Tod soll auf euch kommen
nicht locker. Er mußte erreichen, daß er bewußtlos wurde. Es schien aussichtslos. Der Krieger war zu stark und wehrte sich heftig. Er wollte ihn abschütteln. Als Eadulf bereits aufgeben wollte, erschlaffte der Krieger auf einmal und fiel zu Boden. Eadulf stürzte mit ihm und lockerte seinen Griff erst, als er sicher war, daß sich der Mann nicht nur verstellte. Erst dann sprang er auf, schlug von außen die Tür zu und schob die Riegel vor. Er lehnte sich gegen die Tür und holte tief Luft. Nun sah er den Arzt an.
»Wie ist es bei Uaman gelaufen?« flüsterte er.
»Das weiß ich nicht genau«, erwiderte Basil Nestorios. »Ich habe die Mixtur zubereitet und ihm erklärt, daß sie zuseiner Behandlung gehöre. Sollte er sie wirklich genommen haben, wirkt sie bestimmt schon.«
Eadulf war entsetzt. »Willst du damit sagen, du hast nicht gesehen, ob er das Zeug auch getrunken hat?«
Basil Nestorios schüttelte den Kopf. »Der Böse befahl dem Wächter sogleich, mich zurück in die Zelle zu bringen. Ich habe die Mixtur bei ihm stehenlassen.«
Eadulf stöhnte leise. »Dann können wir nicht sicher sein, daß Uaman wirklich außer Gefecht ist. Wir müssen sofort von hier weg.«
»Aber meine Arzneikiste, meine Satteltaschen … Sie befinden sich immer noch bei ihm.«
»Die müssen wir erst einmal dortlassen. Ich werde keine Zeit verschwenden und in Uamans Räume schleichen, um festzustellen, ob er schläft, und sie dann holen. Das Gepäck würde uns sowieso nur behindern.«
Basil Nestorios wollte ihm schon widersprechen, doch dann leuchtete ihm das ein.
»Wohin nun, mein sächsischer Freund?«
Eadulf sah sich um. Der Gang, an dem die Zelle lag, verlief wahrscheinlich wie die anderen, die er gesehen hatte, kreisförmig um die äußere Mauer. Über ihnen mußte das Stockwerk mit den vielen Fenstern sein. Sie befanden sich wohl zu ebener Erde.
»Wenn wir diesen Gang entlanglaufen, müßten wir zu dem Innenhof am Tor gelangen. Sollten wir das Tor unbemerkt erreichen und aus der Festung herauskommen, steht das Wasser bestimmt noch nicht so hoch, daß wir nicht mehr zum Festland hinüberkönnen.«
»Es wird schon dunkel, ich glaube, die Flut wird bald einsetzen«, sagte Basil Nestorios zweifelnd.
»Dann wollen wir nicht länger hier herumstehen«, rief Eadulf. »Folge mir.«
Vorsichtig schlich er durch den schmalen Gang und sah sich nach möglichen Ausgängen um. Nach einer Weile blieb er stehen.
»Hier ist eine kleine Tür: Ich glaube, sie führt auf den Hof. Riegel und Schlösser sehe ich keine. Bist du bereit?«
Der Arzt nickte rasch.
Eadulf trat auf die Tür zu, die einen Metallring aufwies, mit dem man einen Schnappriegel hochziehen konnte. Er streckte die Hand vorsichtig danach aus. Ganz leise öffnete sich der Schnapper. Behutsam drehte er weiter, so daß draußen niemand ein Geräusch wahrnehmen konnte. Er spähte hinaus und seufzte leise.
Die Tür führte in der Tat auf den Innenhof hinaus. Er konnte sogar das hohe Holztor sehen, durch das man aus der Turmfestung nach draußen gelangte. Leise zog er die Tür wieder zu. Basil Nestorios sah ihn verblüfft an.
»Da läuft ein Krieger herum und zündet die Brandfackeln zur Nacht an«, flüsterte er.
Der Arzt schwieg. Eadulf zählte in Gedanken die Minuten, bis der Krieger seinen Auftrag ausgeführt haben mochte. Es konnte im Innenhof kaum mehr als sechs Fackeln geben.
Vorsichtig öffnete er wieder die Tür und spähte umher. Der Hof schien leer. Der Schein der Fackeln hüllte ihn in ein schauriges Licht. Wenn die Wächter hier entlangkamen, würden sie jeden Flüchtling entdecken, sobald er aus der Tür trat. Doch sie mußten es einfach riskieren. Eadulf hoffte, daß die Krieger das Innere der angeblich uneinnehmbaren Festung nicht so stark bewachten. Schließlich nahmen sie ja an, daß ihre Gefangenen in den Kerkerzellen waren – es sei denn,daß man inzwischen den Wächter vermißte, der den Arzt zurückgebracht hatte. Sie mußten es wagen, denn je länger sie sich Zeit ließen, desto geringer wurden ihre Aussichten auf Erfolg.
Auf einmal hörten sie eine Glocke läuten.
Eadulf erstarrte.
Basil Nestorios rief verzweifelt etwas in seiner Muttersprache.
»Das ist Uamans Glocke«, zischte er dann. »Da hat er wohl den Trank nicht zu sich genommen.«
»Jetzt ist es zu spät. Wir müssen zum Tor. Dort sind zwei Eisenriegel angebracht, siehst du die? Ich nehme den oberen, du den unteren, und laß dich durch nichts aufhalten.«
Nun läutete es
Weitere Kostenlose Bücher