Der Tod traegt Turnschuhe
mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass du das, was ich mache, für falsch hältst. Wie soll ich die Seraphim überzeugen, wenn ich noch nicht mal dich überzeugen kann?«
Na toll. Dad wird stinksauer sein wegen der Tagesdecke, dachte ich, während ich hektisch tupfend versuchte, den Schaden zu begrenzen. Als ich aufblickte, sah Nakita ziemlich verwirrt aus.
»Ich weiß nicht«, gestand sie. »Aber du glaubst an das, was du tust. Es gibt einen Grund dafür, dass Zeitwächter ausgetauscht werden, weißt du. Du bist … davon besessen, Leuten zu helfen, auch wenn ich nicht so richtig verstehe, was du damit erreichen willst. Es ist nicht schlimm, wenn du Fehler machst. Es kommt nur darauf an, wie du mit ihnen umgehst.«
Jetzt war mein Blick wohl genauso verwirrt wie ihrer. In gewisser Weise verstand ich sogar, was sie mir sagen wollte, aber ich konnte es nun mal nicht allen recht machen.
»Außerdem«, redete Nakita weiter, nachdem sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Nägeln zugewandt hatte, »würdest du mir fehlen, wenn du weg wärst.«
Ich saß auf meinem Bett, mit zwei lackierten Fingernägeln - der Rest war so schwarz wie zuvor - und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ein Windstoß bewegte die Vorhänge und ein Donnergrollen verlieh Nakitas letzten Worten einen dramatischen Effekt. Die Sonne war wahrscheinlich noch immer nicht untergegangen, aber ich konnte sie hinter den dicken Wolken nicht mehr sehen.
Nakitas Seufzer vermischte sich mit dem Geräusch des Regens, der draußen zu prasseln begann. Ich musste irgendetwas sagen, aber in meinem herrlich leeren Kopf regte sich nichts, während dicke Regentropfen in unregelmäßigen Abständen auf das Dach platschten und der Geruch von nassen Dachziegeln durch das Fenster hereinwehte. Ich suchte noch immer nach Worten, die Nakita trösten, aber auch meinen Standpunkt deutlich machen würden, als ich aufstand, um das Fenster zu schließen.
»Nakita -«, setzte ich an und starrte in die frühe Dämmerung und die niedrigen grauen Wolken hinaus.
Doch in dem Moment scharrte ein winziges, mir nur allzu vertrautes Geräusch durch mein Bewusstsein. Es war das Geräusch von Sneakers, die auf dem Dach Halt suchten. Dann ertönte das sanfte Klingeln von Grace' Stimme, die sang: »Ein Junge saß mal auf dem Dach, hielt sich für schlau (dass ich nicht lach . . . ) . Kroch wie 'n Krokodil, bis er ganz schön tief fiel. Der war wohl nicht wirklich vom Fach!«
Ist Barnabas wieder da? »Barnabas?«, rief ich laut und lehnte mich aus dem Fenster.
Nakita sah von ihren Zehennägeln auf, mit denen sie fast fertig war. Plötzlich hörte ich weiter oben auf dem Dach etwas krabbeln und fuhr vor Schreck zusammen. Ich riss das Fenster auf. Ein erschrockener Schrei von oben ließ Nakita aufspringen. Kurz darauf, begleitet vom Unheil verkündenden Geräusch kullernder Kieselsteinchen, plumpste ein weißer Schatten an meinem Fenster vorbei. Jemand fiel vom Dach, Arme und Beine weit von sich gestreckt. Dann ein dumpfer Aufprall, gefolgt von einem Stöhnen, das halb in dem leisen Donnergrollen unterging.
Ich drehte mich zu Nakita um. »Ich glaube nicht, dass das Barnabas war«, sagte ich.
Ihr Gesicht wirkte ruhig, aber ihre Augen leuchteten silbern. »Ich weiß nicht. Wer immer das ist, er hat seine Aura verschleiert.« Hastig reichte sie mir ihren Nagellack. »Bin gleich wieder da.«
Meine Augen weiteten sich. »Nakita!«, zischte ich, doch sie hatte bereits nach ihrem Amulett gegriffen. Ein violettes Leuchten umgab sie, dann erschien ihr Schwert in ihrer Hand. »Nakita, warte!«, befahl ich und stellte das Nagellackfläschchen ab, doch sie war schon halb auf dem Dach.
»Heiliges Herzversagen …«, flüsterte ich, als sie sich an die Dachkante stellte und nach unten sah, eine Hand in die Hüfte gestemmt. Der Wind kam in Böen und der Regen prasselte immer stärker, obwohl die Zweige über meinem Fenster das meiste davon abhielten.
»Wer bist du?«, rief sie laut nach unten. Dann verschwand sie aus meinem Sichtfeld.
»Grace!«, schrie ich. Okay, es war nicht Barnabas, der gelauscht hatte, aber irgendjemand anders hatte es getan und Grace hatte ihn vom Dach geschubst.
Der Botenengel kam durch das Fenster geschwebt und brachte den Geruch von Ozon und Regen mit herein. Gereizt, wenn ein Lichtball denn gereizt aussehen konnte, schoss sie in meinem Zimmer umher.
»Zum Kuckuck, Madison! Du solltest gar nicht mitkriegen, dass ich da bin«, piepste sie enttäuscht. »Ich hab
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